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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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erdrosseln zu lassen. Dann hatte sie ihn im Kampf gegen ihren eigenen Sohn, Selims Bruder Bayezid, unterstützt, den Süleyman schließlich zum Tode verurteilt hatte. „Mag sein.“ Selim zuckte gelangweilt die Schultern. „Aber inzwischen bin ich Sultan, und mein Wort ist Gesetz!“ Er funkelte sie wütend an. „Du wirst nichts unternehmen, das mein Kind auch nur im Geringsten in Gefahr bringt! Ist das klar?!“ Sie hatte den Blick gesenkt, um seinen zornigen, harten Augen auszuweichen. „Ist das klar?!“, brüllte er. „Ja, es ist klar.“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
     
    „Gut.“ Ohne einen weiteren Blick an seine Mutter zu verschwenden, wandte er ihr den Rücken, ging auf Elissa zu, packte sie am Handgelenk und zerrte sie auf die Tür zu. Obgleich sie ihn von ganzem Herzen hasste, war sie doch dankbar, dass er sie aus einer Lage befreit hatte, die mehr als nur gefährlich war. Sie hätte heute sterben können. Auch wenn die Strafe, welche die Valide Sultan ersonnen hatte, selbst nicht tödlich war, so wusste sie doch ganz genau, dass die meisten Unglücklichen nach einer solch grauenhaften Verstümmelung verbluteten. „Von heute an wirst du dich in deiner Kammer einschließen“, befahl Selim. „Ich werde zusätzliche Janitscharen schicken, die dich bewachen. Du bleibst in deinen Gemächern. Sie sind sicherer als die meisten anderen Orte im Harem. “ Seine Miene war ernst, und zwischen den dünnen Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet. Als sie die Tür zu ihrer Kammer erreichten, ergriff er sie bei den Schultern und sah sie einige Augenblicke lang stumm an. „Ich möchte nicht, dass meinem Kind irgendetwas zustößt!“ Mit diesem Ausspruch ließ er sie los und stürmte davon – den Korridor entlang auf das Herz des Harems zu.
     
    Als Elissa den Raum betrat, sprang Neslihan, die vor einem Stickrahmen kauerte und nervös mit den Fäden spielte, hastig auf und eilte auf sie zu. „Allah sei Dank! Er ist noch rechtzeitig gekommen!“ Mit einem Schlag wurde Elissa klar, wie Selim von den Vorgängen in den Gemächern seiner Mutter erfahren hatte. In ihrer Todesangst hatte sie nicht darüber nachgedacht, wer ihren Retter benachrichtigt haben könnte. Doch nun, da sie in Neslihans strahlende Augen blickte, verstand sie, was ihre kleine Helferin für sie getan hatte. „Ich habe Halil informiert, sobald ich wusste, was passiert war“, platzte das kleine Mädchen heraus. „Und Halil hat den Sultan in Kenntnis gesetzt“, schloss Elissa. Neslihan nickte eifrig. Überwältigt von Dankbarkeit, schloss Elissa ihren Schutzengel in die Arme, und sie brachen beide in Tränen aus. Der Druck und die Anspannung der vergangenen Stunde fielen plötzlich von ihnen ab. Als die Tränenflut gedämmt war, stellte Neslihan nüchtern fest: „Du hast jetzt eine mächtige Feindin. In Zukunft wirst du Tag und Nacht wachsam sein müssen.“
     
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Zypern, eine Kammer in der Zitadelle, April 1571
     
    Sie hatten Zeit gestohlen, die er sich eigentlich nicht leisten konnte. Als er jedoch früh am Morgen aufgewacht war, hatte seine Gemahlin im unschuldigen Schlaf lieblicher denn je ausgesehen. Er hatte sie ein paar Minuten lang still betrachtet und versucht, die Anzeichen eines bekümmerten Gewissens zu entdecken. Doch sie hatte friedlich weitergeschlummert und ab und zu nach ihm getastet, fast als wolle sie sich vergewissern, dass er noch neben ihr lag. Ihre Brüste waren dem Rhythmus ihres ruhigen Atems gefolgt, und er hatte die Augen nicht von ihr wenden können. Als sie schließlich erwachte und im Licht der frühen Morgensonne blinzelnd die Augen öffnete, floh ihn die Selbstbeherrschung wie eine Fledermaus das Sonnenlicht. Er kletterte zurück ins Bett, und sie berührten und liebkosten einander – zuerst sanft und vorsichtig, dann hungriger und schließlich voller ungestillter Gier.
     
    Mit einem Seufzer warf er ihr einen letzten sehnsüchtigen Blick zu, bevor er sich zum zweiten Mal an diesem Tag erhob. Wie hatte er nur an ihrer Liebe zweifeln können?, schalt er sich. Wie hatte er je auf solch unsinnige Beschuldigungen eingehen können? In der angrenzenden Kammer werkelte bereits Emilia herum, um die rätselhaften Dinge vorzubereiten, welche die Damen für ihr alltägliches Leben benötigten. „Christoforo?“ Desdemonas Stimme war noch ein wenig kratzig vom Schlaf, da sie nicht besonders viel gesprochen hatten. „Ja.“ Er kämpfte vor dem großen Spiegel mit dem Kragen seines

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