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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dass es ihm nicht in den Kopf kommen würde, ihr Zelt zu durchsuchen. Ihr war eine Bemerkung über die Szene hinter den Ställen entschlüpft. Und als er sie fragte, wie sie davon erfahren hatte, war ihr selbst aufgefallen, wie lahm ihre Erklärung wirken musste.
     
    „Wer ist es?“ Seine dunklen Augen waren hart und kalt. „Was?“, fragte sie verwirrt. „Wenn ich herausfinde, dass du einen Liebhaber hast“, drohte er und verstärkte seinen Griff noch ein wenig, ohne auf ihr schmerzverzerrtes Gesicht zu achten, „dann wird erst er und später du einen äußerst schmerzhaften Tod sterben.“ Er grinste höhnisch. „Aber erst nachdem du mir einen Sohn geschenkt hast.“ Er ließ sie los und nahm das Gewicht von ihrem Körper. „Wo ist denn deine kleine Sklavin?“, fragte er unvermittelt. „Neslihan?“ „Ja, ich glaube, du hast nur eine Sklavin“, fuhr er sie an. „Ruf sie her!”
     
    Als das Mädchen das Zelt betrat, warf es sich vor dem Sultan zu Boden. „Steh auf“, befahl er knapp und musterte sie einen langen Augenblick von oben bis unten. „Du kannst gehen“, sagte er endlich, und Neslihan zog sich dankbar zurück. „Weißt du“, bemerkte er nachdenklich. „Sie ist hübscher, als ich dachte. Es wird Zeit, sie in die Kunst der Liebe einzuführen.“ Elissas Herz wollte stehen bleiben. Das Schwein hatte nicht wirklich vor, sich an Neslihan zu vergehen? Sie mussten fliehen! Sie musste die treue Gefährtin aus Selims Klauen retten!
     
    *******
     
Zypern, Famagusta, 30. Juli 1571
     
    Die Nacht war früher als sonst hereingebrochen, da der Himmel mit dicken Wolken verhangen war, die ein Gewitter ankündigten. Jago hatte früh seine Unterkunft verlassen – nervös wegen der Aufgabe, die in dieser Nacht vor ihm lag. Cassio war ein erfahrener Kämpfer, und die Vorstellung, es alleine mit ihm aufnehmen zu müssen, machte ihm Sorgen. Allerdings konnte er schlecht jemanden einweihen; das stand völlig außer Frage. Außer … Ohne es zu bemerken, hatten seine Füße ihn in die Nachbarschaft des Bordells getragen, in dem Rodrigo hauste. Er musste sich irgendwo in der Nähe aufhalten. Jago erinnerte sich, dass der junge Mann ihm von der Taverne erzählt hatte, die er häufig aufsuchte. Und als er den Eberkopf erreichte, stieg er die Stufen zum Eingang der Spelunke hinab und rümpfte die Nase, da ihm beim Öffnen der knarrenden Tür ein furchtbarer Gestank entgegenschlug.
     
    Er entdeckte den Trunkenbold in einer kleinen Nische im hintersten Winkel des Schankraumes. Sein Kopf ruhte auf den schmutzigen Armen, und ein umgekippter Krug lag vor ihm auf dem Tisch. „Rodrigo?“ Er schüttelte ihn grob. „Was?“ Der Zecher stieß ungeduldig die Hand, die seine Ruhe störte, von sich. „Ich habe bereits bezahlt“, murmelte er. „Bringt mir noch einen!“ Er rülpste. „Rodrigo“, sagte Jago eindringlich und schüttelte den Mann erneut. „Ich bin es.“ „Hm?“ Rodrigo hob ein Augenlid und starrte den Eindringling aus blutunterlaufenen Augen an. „Oh je, Jago“, stellte er wenig begeistert über den Besuch fest. Er richtete sich auf und legte das Kinn in die Hände, die von Öl und Wein klebten. „Was wollt Ihr?“, fragte er unhöflich. „Noch mehr Geld?“ „Was?“, rief Jago aus und gab vor, über die Ungerechtigkeit des anderen empört zu sein. Rodrigo blinzelte im Licht der Kerze, die Jago vor ihm auf den Tisch gestellt hatte. „Jedes Mal, wenn ich Euch treffe, macht Ihr neue Versprechen. Versprechen. Versprechen.“ Er winkte wegwerfend ab. „Es reicht mir!“ Jago hob protestierend die Hände und zog sich einen Stuhl an den Tisch. „Eure Anschuldigungen sind nicht gerecht“, stellte er mit einem schmollenden Unterton in der Stimme fest. „Nicht gerecht?“, platzte Rodrigo hervor, der nicht so betrunken war, wie er schien.
     
    „Die Juwelen, die ich Euch gegeben habe, diejenigen, die ihr Desdemona schenken solltet. Sie hätten ein Herz aus Stein erweicht!“ Er funkelte Jago zornig an. „Und trotzdem habe ich nicht das Geringste von ihr gehört.“ „Nun“, hub Jago an, doch Rodrigo, der langsam in Fahrt kam, fiel ihm ins Wort. „Ich werde sie aufsuchen, ihr alles gestehen und sie bitten, mir die Juwelen zurückzugeben.“ Er taxierte Jago misstrauisch. „Ich hoffe, sie hat sie auch wirklich erhalten.“ Sein Ton war drohend. „Ansonsten fordere ich Genugtuung von Euch.“ Jagos Gesicht hatte einen verletzten Ausdruck angenommen. „Bei allen Teufeln der Hölle! Ich bin

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