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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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aalglatt. Ehe das erleichterte Lächeln von Elissas Gesicht verschwand, mussten sich die beiden Mädchen schon hinter einen Berg Futtersäcke ducken, da die aufgeregt schnatternden Sklaven die Wallache zurück in die Boxen führten. Langsam, aber sicher verschlimmerte sich ihre Lage. Wenn sie nicht rechtzeitig zu ihrem Zelt zurückkehren und Frauengewänder anlegen konnten, würde Selim ihre Abwesenheit bemerken und Alarm schlagen. Und – dummerweise – hatten die beiden Wachen ihre Hoffnung, das Lager unauffällig zu verlassen, zunichte gemacht. Es schien, als sei Elissas vielversprechender Plan kläglich gescheitert.

Kapitel 41
     
Zypern, Famagusta, 30. Juli 1571
     
    Allmählich neigte sich der Juli dem Ende. Den ganzen Monat über hatten die osmanischen Angreifer die Wehranlagen um Famagusta mit Kanonenfeuer und Minen durchlöchert. Immer wieder stürmten die Türken die Durchbrüche, die von den erschöpften Venezianern verbissen verteidigt wurden. Aber stets wurden die Angreifer an der zweiten Verteidigungslinie zurückgeschlagen. Die aus Säcken und Fässern konstruierte Barrikade wurde jeden Tag neu aufgeschichtet, doch all die Tapferkeit der schwindenden Truppen der Eingeschlossenen schien vergebens. Während der Feind seine Truppenstärke durch tägliche Verstärkung aufrechterhielt, schwanden innerhalb der Festung Männer, Munition und Vorräte, ganz zu schweigen vom Mut der schwer gebeutelten Belagerten.
     
    Der unablässige Kanonendonner war wie ein einlullendes Schlaflied für die Männer, welche die meisten Nächte unter der Martinengo Bastion zubrachten, um ihre müden Kameraden ohne Verzögerung ablösen zu können. Christoforo Moro wusste nicht, wie viele aufeinanderfolgende Nächte er auf dem harten Feldbett gelegen hatte, in denen sein übermüdeter Verstand bemüht war, das Huschen des Ungeziefers zu ignorieren. Das Leben schien nur noch aus essen, trinken, schlafen und kämpfen zu bestehen. Und die Annehmlichkeiten der zivilisierten Welt waren in weite Ferne gerückt. Stets befanden sich Körper und Geist in Anspannung – bereit die Stadt und das Leben ihrer Einwohner gegen den übermächtigen Feind zu verteidigen. Die Erschöpfung war so gewaltig, dass sich jede Faser seines Körpers nach Schlaf sehnte.
    Sogar der Groll gegen seine Gemahlin war inzwischen so gut wie verflogen, da das Kämpfen seinen Zorn aufgebraucht zu haben schien. Zudem hatte sein Verstand mit Abstand zu den Ereignissen den warnenden Zeigefinger gehoben, und ihm waren zahllose Einwände gegen Desdemonas Untreue eingefallen. Der Brief – nichtssagend, wie er gewesen war – hätte an jede adressiert sein können. Und wie schnell war ein Ohrring verloren! Er beendete seine Runde und schleppte sich zu der Unterkunft der Offiziere. Wenn ich doch nur die Kraft hätte, Desdemona wieder so zu lieben wie in Venedig, dachte er. Wie vor diesem verfluchten Krieg und seinem zermürbenden Einfluss! Jagos Gestalt, die aus den Schatten auftauchte, riss ihn aus den Gedanken. Der Major winkte ihn mit einem Ausdruck auf dem Gesicht zu sich, der Christoforos Magen flau werden ließ.
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    Jago musste die Dinge ein wenig beschleunigen. Ansonsten war dieser Krieg vorbei, bevor er die Stelle dieses Narren Cassio eingenommen hatte. Er hatte versucht, an ihn heranzukommen, ihm aufzulauern, um ihn ein für alle Mal aus dem Weg zu schaffen. Denn Moro schien ihn noch nicht zum Duell herausgefordert zu haben. Aber sein ehemaliger Oberstleutnant war stets am anderen Ende der Kampflinie. Doch heute, als ob es ein Zeichen des Himmels oder eher der Hölle war – Jago gluckste innerlich – befand er sich direkt vor seinen Augen. Wenn er diese Gelegenheit nicht beim Schopfe packte, sollte er verdammt sein. „General“, tuschelte er scheinbar aufgebracht. „Ich kann Euch endlich den Beweis liefern, den Ihr verlangt habt!“ Er wies auf Cassio, der ein paar Dutzend Schritt entfernt an einem Zaun lehnte, und der sie noch nicht bemerkt zu haben schien. Die Skepsis in Moros Zügen hätte um ein Haar dafür gesorgt, dass er den neuen Brief, der unter seinem Wams verborgen war, verfrüht hervorgezogen hätte. Anders, als von ihm beabsichtigt, hatte Moro noch nicht den Kopf verloren und das getan, was Jago gehofft hatte. Stattdessen schien er mehr und mehr zu zaudern und sich mit jedem Tag, der verstrich, weiter von dem zu entfernen, zu dem Jago ihn hinsteuern wollte. Es war an der Zeit, den Druck zu erhöhen. „Seht Ihr diese Büsche dort?“,

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