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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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hatte sich über seine Augen gelegt, sobald Cassio in Gelächter ausgebrochen war. Er verhöhnte ihn! Lachte den Idioten aus, mit dessen Weib er es heimlich trieb. Seine Hand umklammerte den Griff des Degens, und seine Zähne schlugen so heftig aufeinander, dass der Kiefer schmerzte. Als er den Ohrring erkannte, den die Metze in ihren dreckigen Händen hielt, waren ihm beinahe die Sinne geschwunden. Doch die Furcht vor dem, was Jago entdeckt hatte, vertrieb den Schwindel mit solcher Macht, dass ihm schlecht wurde.
    „Jago!“, stöhnte er und stolperte mit butterweichen Knien aus dem Gestrüpp – das Gesicht mit kaltem Schweiß bedeckt. „Was habt Ihr da?“, stammelte er heiser. Es schien ihn alle Kraft zu kosten, die Rechte auszustrecken, um das versiegelte Schreiben von Jago entgegenzunehmen. „Vielleicht solltet Ihr lieber nicht …“, hub Jago an. Aber Moro schnitt ihm mit einer heftigen Bewegung das Wort ab.
     
    „ Für die Liebe meines Lebens “, stand auf dem Umschlag. Der General erbrach mit zitternden Händen das Siegel.
     
    „ Desdemona, mein Engel, meine Liebste, mein Leben !“, begann der Brief.
     
    „ Heute ist die Nacht der Nächte. Wenn sich Dein Herz genauso nach Liebe verzehrt wie das meine, dann lasse heute Nacht Deine Tür unverschlossen. Dein Gemahl wird an der Front schlafen, sodass uns niemand stören wird. Ich kann nicht länger warten. Ich muss Deine Haut wieder spüren, Dich schmecken und riechen. Ich bete Dich an. Warte auf mich !
     
    In Liebe, Cassio “
     
    Einige Augenblicke lang fürchtete Jago, den General würde auf der Stelle der Schlag treffen. Doch dann ließ er den Brief fallen und ballte die Hände zu Fäusten. „Ich werde sie töten!“ Es war nur ein heiseres Flüstern, aber in Jagos Ohren klang es wie die süßeste Musik. Christoforo schlug die Hände vors Gesicht – beinahe als wolle er das eben Gesehene auslöschen. „Ich werde sie in dem Bett töten, das sie mit ihrer Lust beschmutzt hat!“ Er schloss die Augen, und alle Farbe schien aus seinem Gesicht zu weichen. Jago legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter. „Überlasst Cassio mir. Noch vor Mitternacht ist er Vergangenheit.“ Moros Augen schwammen, als er sie wieder öffnete. Doch trotz der Tränen trat kalte Entschlossenheit an die Stelle von Trauer und Zorn. „Verlasst Euch auf mich“, sagte Jago und straffte die Schultern. „Morgen werdet Ihr ein neuer Mensch sein.“ Moro blieb eine Weile regungslos sitzen, ehe er grimmig nickte.
     
    Sie waren gerade im Begriff, sich zu trennen, als Angelina, Desdemona, Lodovico und einige Bedienstete in eine hitzige Debatte verwickelt um die Ecke bogen. „Christoforo!“, begrüßte Lodovico den General freudig und streckte ihm die Hand entgegen, die Moro – der sich zuerst brüsk abwenden wollte – nur widerwillig ergriff. „Ist dir nicht wohl?“, erkundigte Desdemona sich, besorgt über den Ausdruck auf dem starren Gesicht ihres Gemahls. „In der Tat!“, zischte er. „Was ist geschehen, Liebster?“ Sie näherte sich ihm angstvoll und blickte ihm forschend in die trüben Augen. „Wie kannst du es wagen, zu fragen?“, knurrte er. Und bevor einer der Umstehenden reagieren konnte, hatte er die Lücke zwischen sich und seiner Frau geschlossen und schlug ihr so heftig ins Gesicht, dass sie auf den staubigen Boden geschleudert wurde. „Geh mir aus den Augen!“
     
    „Ist das der Ehrenmann, in dessen Hände der Senat diesen Feldzug gelegt hat?“, fragte Lodovico in die peinliche Stille hinein, nachdem Christoforo davon gestürmt war – schockiert von der Heftigkeit seiner Reaktion. „Er hat sich verändert seit unserer Ankunft auf Zypern“, stellte Jago unschuldig fest und zuckte die Schultern. „Hat er den Verstand verloren?“ Lodovicos Blick wanderte zu Angelina, die neben ihrer schluchzenden Schwester am Boden kniete. „Es steht mir nicht zu, ein Urteil über ihn zu fällen“, gab Jago mit vorgetäuschter Sorge diplomatisch zurück, während er sich innerlich die Hände rieb. Das konnte ja kaum besser laufen!
     
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Zypern, ein Militärpavillon vor den Toren Famagustas, 30. Juli 1571
     
    „Hör auf!“, rief Elissa angsterfüllt. „Bitte.“ Selim saß rittlings auf ihrem Brustkorb und drückte ihre Hände neben ihrem Kopf ins Kissen. „Du verheimlichst mir etwas“, wiederholte er. „Sag mir, was es ist!“ Seine Daumen gruben sich schmerzhaft in ihre Handgelenke. Irgendwie hatte er Verdacht geschöpft, und sie betete,

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