Die Töchter der Lagune
während sie in der heißen und feuchten Luft schwitzten, berichtete Mustafa Pascha von dem Feldzug und der Strategie, die er für dessen weiteren Verlauf ersonnen hatte. „Ich werde es dem Sultan unterbreiten und ihm vorgaukeln, dass es sein eigener Einfall war“, bemerkte der Großwesir trocken, als Mustafa geendet hatte – das verschrumpelte Gesicht nass glänzend vor Schweiß. „Ich bin äußerst zufrieden mit deinem Bericht.“ Er nickte gedankenverloren und schloss die Augen, um sie vor dem salzigen Schweiß, der sein Gesicht herunterrann, zu schützen. „Jetzt lass uns die Wärme genießen.“ Er lehnte sich zurück und stieß einen wohligen Seufzer aus.
Als der Wesir sich erschöpft zurückgezogen hatte, verweilte Mustafa noch einige Minuten in der Hitzekammer, bevor er in den Kaltraum des Bades zurückkehrte. Dort trat er unter eine Kaltwasserfontäne und klatschte ungeduldig in die Hände. Augenblicklich kam der junge Tellak hereingeeilt, und nachdem er ihn gründlich eingeschäumt hatte, rieb er Mustafa mit einem Handschuh aus Ziegenhaar ab. Als die Prozedur beendet war, huschte er davon, um einen Eunuchen zu holen, der die Muskeln des Kommandanten lockern würde. Während er wartete, vernahm Mustafa das Geschnatter der Frauen, die sich in ihrem eigenen, schwer bewachten Teil des Hamams vergnügten. Er seufzte leise. Seine Gemahlin war vor zwei Jahren im Kindbett gestorben, und sein Sohn hatte sie nur ein paar Tage überlebt, bevor er seiner Mutter ins Grab gefolgt war. Mustafa hatte lange um sie getrauert, doch allmählich hatte er das Gefühl, dass es an der Zeit war, sich eine neue Frau zu nehmen.
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Die Adria, Dezember 1570
Mit einem Stöhnen erbrach Elissa sich erneut in die tosenden Fluten des scheinbar endlosen Mittelmeeres. Seit einigen Tagen waren sie nun an Bord des Schiffes, und zuerst hatte sie gehofft, dass die Seekrankheit vorübergehen würde, doch dies war nicht der Fall gewesen. Kraftlos hing sie über der Reling und entleerte ihren Magen in die grüne, aufgewühlte See tief unter sich. Ihre Mutter stand hilflos neben ihr und tätschelte ihr den Rücken, als ob diese Geste ihren Magen davon abhalten könnte, sich erneut umzudrehen. Als schließlich nur noch Galle übrig war, gelang es Elissa nur mit größter Mühe, das Würgen zu unterdrücken und sie wandte sich auf schwachen Beinen um. Zittrig wischte sie sich den Mund mit dem Taschentuch ab, das ihre Mutter ihr in die Hand gedrückt hatte. Sie bebte vor Erschöpfung am ganzen Leib, und ihr Gesicht hatte eine ungesund gräuliche Färbung. „Oh, mein armes Kind!“, hauchte Signora di Morelli außer sich vor Sorge. Genau wie ihre Tochter schien auch sie mit dem Wellengang zu kämpfen, aber die eigene Notlage verblasste vor der ihres Kindes. „Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass du mit auf diese Reise gehst“, presste sie zerknirscht hervor und legte den Arm um Elissas bebende Schultern. Bevor sie ihren Gefühlen jedoch weiteren Ausdruck verleihen konnte, wurde sie von einem schüchternen Hüsteln unterbrochen, und Elissa wies mit zitterndem Zeigefinger auf den Seemann, der sich ihnen diskret genähert hatte. „ Scusi, Signora .“ Der Mann hatte seine kleine Kappe vom Kopf gerissen und knetete sie nervös zwischen den Fingern. „Ich habe hier etwas, das Eurer Tochter helfen könnte.“ Er fummelte ungeschickt an einem kleinen Beutel herum, der am Gürtel seiner weiten Kniehosen befestigt war, und holte eine Handvoll Kräuter hervor. Die trockenen Stängel von sich haltend, wandte er sich an Elissa. „Wenn Ihr hiervon jeden Morgen ein paar zerkaut, wird die Seekrankheit verschwinden.“ Elissa sah den Matrosen mit großen Augen an, kaum bereit zu glauben, dass ihre Qualen ein Ende haben könnten. Sie wollte gerade dankbar die Kräuter entgegennehmen, als ihre Mutter unvermittelt zwischen sie und den einfachen Mann trat. „Nein, danke“, sagte sie kühl und machte eine abwehrende Handbewegung. „Meine Tochter wird sich auch ohne …“, sie rümpfte angewidert die Nase, „… das da erholen.“
Am liebsten hätte Elissa laut geschrien, da ihr Magen drohte, einen weiteren Überschlag zu machen. Scheinbar beschämt senkte der Seemann den Kopf, wohl wissend, warum seine Hilfe abgelehnt wurde. Als Signora di Morelli jedoch zur anderen Seite des schwankenden Schiffes blickte, wo ihr Gatte soeben an Deck erschienen war, zwinkerte er Elissa verschwörerisch zu und ließ die Kräuter heimlich in
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