Die Töchter der Lagune
abgefallen. Sie liebte diesen Mann! Alles, was sie sich wünschte, war ihn zu fühlen, ihn zu schmecken und den Rest ihres Lebens in seiner Nähe zu sein. Ohne ein Wort zog er sie näher an sich und küsste ihren leicht geöffneten Mund. Sein Kuss war sanft aber entschlossen, und seine Zunge tastete nach der ihren, bis er sie schließlich fand. Sie spürte die Umarmung fester werden und – alle Schicklichkeit in den Wind schlagend – erwiderte sie den Kuss hungrig.
Kapitel 5
Konstantinopel, der Hafen, Dezember 1570
Als die Planke mit einem dumpfen Geräusch auf dem staubigen Boden aufschlug, verließ Mustafa Pascha so schnell wie möglich das Schiff. Er wollte Mohammed Sokolli Bericht erstatten. Der Sultan war nutzlos, der Einzige, auf dessen Entscheidungen er sich verlassen konnte, war der fähige, alte Großwesir. Er schlug eine Abkürzung zum Kanonentor ein, nach dem der Topkapi Sarayi Palast – der Kanonentor-Palast – benannt war. Der Teil der byzantinischen Altstadt, den er durchqueren musste, war schäbig und heruntergekommen. Nackte, unterernährte Kinder spielten in staubigen Hinterhöfen. Ihr Geschrei erfüllte die schwere, heiße Luft, während heulende Bettler versuchten, das Mitleid wohlhabender Passanten zu erregen. Zwielichtige Gestalten drückten sich in den dunklen Schatten der Häuser herum, doch niemand wagte es, den ehrfurchterregenden Flottenkommandanten anzugehen.
Die Wache am Tor grüßte ihn respektvoll und schickte auf Mustafa Paschas Befehl einen Boten zum Großwesir. Er wollte Mohammed im Hamam – im weitläufigen Bad des Palastes – treffen. Nach Wochen auf See und im Kampf sehnte er sich nach einer gründlichen Reinigung des ganzen Körpers. Von einem Mitglied der Janitscharen, einem hochgewachsenen, höflichen jungen Mann, wurde er durch den äußeren Hof geleitet, vorbei an Springbrunnen und Pavillons. Als sie den zweiten Hof durch das Willkommenstor – das Babüsselam – betraten, passierten sie die königliche Bäckerei, die Ställe, das Quartier der Janitscharen sowie die Palastküchen, die im Schatten der hohen Zypressen und Platanen lagen. Als sie schließlich das Hamam erreichten , das im dritten Innenhof – dem Herzen der Palastanlagen – lag, übergab ihn das junge Mitglied der Palastwache dem Tellak , dem Badegehilfen.
Der Knabe, dessen Kopfhaut glatt rasiert war, führte ihn durch die Eingangshalle und den Ruheraum, in dem mehrere Diwane mit Gold- und Silberintarsien um vergoldete Kalt- und Heißwasserbrunnen versammelt waren. Wie beinahe alle Türken fand der Sultan großen Gefallen daran, dem Plätschern des fließenden Wassers zu lauschen und seinen Fluss zu beobachten. Anders als die christlichen Bäder, die Mustafa Pascha besucht hatte, fand man in einem Hamam keine Becken oder Wannen, da der Koran es untersagte, ein Bad in stehendem Wasser zu nehmen. Die osmanische Art zu baden bestand darin, sich Wasser aus einem Springbrunnen über Körper und Hände zu gießen, da alles andere als unrein verpönt war. Der Junge geleitete Mustafa in eine der geräumigen Umkleidekabinen, in deren Zentrum ein marmornes Brunnenbecken prangte. Er reichte ihm das baumwollene Tuch, das die Besucher des Hamams für gewöhnlich um die Hüften geschlungen trugen, bevor er sich mit einer tiefen Verbeugung zurückzog. Nachdem er sich entkleidet und seine Schuhe und Kleider in der kleinen Nische unter dem Marmorsitz verstaut hatte, streifte Mustafa das weiche Pestemal über und betrat den Kaltraum des Bades. Die Temperatur in diesem Teil der Anlage würde ihn auf die Hitzekammer vorbereiten, die er betrat, nachdem er seinen gesamten Körper in einer der großen Waschzellen mit Seife aus gepresstem Olivenöl geschrubbt hatte.
Mohammed Sokolli hatte auf einer der langen Marmorbänke im Inneren der von Dampfschwaden erfüllten Hitzekammer Platz genommen. Wie Mustafa selbst hatte auch er sein Baumwollgewand im Kaltraum zurückgelassen und war splitternackt. Er war ein hässlicher, alter Mann mit schlaffer Haut, die in Falten herunterhing. Und im Gegensatz zu Mustafa, der den muskulösen Körper eines Soldaten hatte, und dessen Gesicht glatt rasiert war, so wie der Rest seines Körpers, war Mohammed mit drahtigen schwarzen und grauen Haaren bedeckt. „ Salām alaikum , Mohammed.“ Mustafa ließ sich auf der Bank gegenüber dem Wesir nieder. „ Salām , Mustafa“, erwiderte der mächtige Mann den Gruß. Er blickte den Flottenkommandanten erwartungsvoll an, und
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