Die Töchter der Lagune
daher die Männer gut kannte, hatte dieser ihn gebeten, vertrauensvolle Soldaten für die Nachtwache zu bestimmen. Und damit hatte er den ersten Nagel in seinen eigenen Sarg geschlagen, da er Jago mit dieser Geste sein Vertrauen ausgesprochen hatte. Dieser Narr! „Hört zu, Rodrigo.“ Er senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „Die schöne Desdemona ist in Cassio vernarrt.“ Das schockierte Einatmen des anderen amüsierte ihn königlich. „Sie ist des Mannes, den sie geheiratet hat, bereits überdrüssig. Habt Ihr nicht bemerkt, wie sie Cassio am Kai geküsst und seine Hand gehalten hat?“ Rodrigo legte die Stirn in Falten, als er versuchte, sich die kompromittierende Szene noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. „Ich glaube es nicht!“, protestierte er schwach – bereits halb überzeugt. „Das war doch nur Höflichkeit.“ Jago schüttelte energisch den Kopf. „Nein. Ich habe darauf geachtet, wie sie ihn angesehen hat, als er ihre Hand hielt. Ihre Augen waren voller Lust!“ Er legte Rodrigo die Hand auf die Schulter und führte ihn auf das Seetor zu. „Hört zu, heute Nacht werdet Ihr Gelegenheit haben, Cassio loszuwerden und Eurem Ziel, Desdemona für Euch zu gewinnen, näher zu kommen.“ Und während sie auf die starken Mauern der Festung zugingen, erläuterte er seinen Plan.
Als sie die Stadt durch das riesige Tor, das auf die inzwischen ruhige See hinabblickte, betraten, wurden ihre Schritte von einer Menschenmenge vor der einschiffigen, frühgotischen Kirche angezogen. Ein Soldat davor verkündete den Befehl des Generals, dass an diesem Abend die ganze Stadt den Untergang der türkischen Flotte feiern sollte. Wein, Tanz und Freudenfeuer sollten die dicken Mauern erfüllen, und die Einwohner waren dazu eingeladen, die Hochzeit des Generals zu begießen. Ein jeder durfte gehen, wohin er wollte, bis die Glocke elf Uhr schlug. Danach würden die Soldaten auf ihre Posten zurückkehren, und jeder, der nach dieser Stunde noch auf der Straße war, würde festgenommen.
„Das ist perfekt“, murmelte Jago.
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Zypern, eine Kammer in der Zitadelle, Januar 1571
„Wir müssen gehen“, stöhnte Christoforo Moro. Sie hatten sich in ihre Gemächer im ersten Stock der Zitadelle zurückgezogen, und sobald die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, fielen sie mit nur mühsam gezügeltem Verlangen übereinander her. „Oh nein, nur noch ein paar Minuten!“, flehte Desdemona, während ihre Hände an der Schnürung seines Hemdes herumnestelten. Er hatte ihr Korsett aufgerissen, die rauen Hände in ihren Ausschnitt geschoben und knetete ihre üppigen Brüste. Sie konnte spüren, wie seine Männlichkeit an ihrem Schenkel pulsierte. Dieses Mal würde sie ihn nicht gehen lassen! „Zum Teufel mit dem Bankett!“, murmelte er hitzig und begann, ihre Röcke hochzuschieben. Just in diesem Augenblick klopfte es an der Tür des Nebenzimmers, und als niemand Antwort gab, hörten sie, wie die Türklinke herabgedrückt wurde. „Verdammt!“, knurrte Christoforo und zog die Hände von dem glühenden Körper seiner Gemahlin zurück. „Wer ist da?“, rief er wutentbrannt. Hatte man denn nie seine Ruhe? Ein alter Diener erschien im Türrahmen und verneigte sich tief. „Alle sind in der Halle versammelt, Signore. Man wartet nur noch auf Euch und Eure Gemahlin.“ Obgleich er bemüht war, es zu verbergen, entdeckte Christoforo das schwache Lächeln, das um die Lippen des gebeugten Greises spielte.
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Als sie die große Halle betraten, die von Dutzenden von Pechfackeln und Feuern erhellt wurde, empfingen sie Beifallsrufe und lachende Gesichter. Angelina winkte ihrer Schwester von ihrem Platz am Kopf der langen Tafel zu, und ein junger Bediensteter begleitete sie zu den Ehrenplätzen neben Marcantonio Bragadin. „Ah, wie ich sehe, habt Ihr ausreichend geruht“, bemerkte der Luogotenente mit einem verschmitzten Lächeln. „Kaum“, brummte Christoforo, konnte sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen. Nachdem er Desdemona geholfen hatte, Platz zu nehmen, ließ er sich in den gemütlichen Stuhl fallen und seufzte. Der Tisch bog sich bereits unter dem Gewicht zahlloser Schüsseln und Platten. Sobald sich das Meer beruhigt hatte, waren Fischer ausgeschickt worden, um frische Meeresfrüchte für die Feier herbeizuschaffen.
Die dicken Mauern der Halle waren rußgeschwärzt, und die winzigen Fensterschlitze hoch oben unter der Gewölbedecke schienen die heiße Luft,
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