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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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dunkelblonden Haar, das ihr Gesicht einrahmte, in dem blaue Augen wie Sterne in einem klaren Sommerhimmel funkelten, schien ihre Verletzbarkeit beinahe aufdringlich. Dennoch, wenn sie mit ihm alleine war, zeigte sie seit Neuestem ihr wahres Gesicht. Ohne den Respekt und die schuldige Achtung, die einer Gattin geziemten, schalt sie ihn, ja trotzte ihm gar und brachte ihn so weit, seiner Wut nicht mehr Herr zu sein. Als sie Rodrigo an Bord des Schiffes erkannt hatte, war sie ihm mit bitteren Anschuldigungen entgegengetreten und hatte von ihm verlangt, ihre Herrin von seiner Anwesenheit an Bord der Karavelle in Kenntnis zu setzen. Sie hatte gefleht und geweint, geschluchzt und geschrien, bis er schließlich die Beherrschung verlor und ihr mit solcher Wucht in das tränenüberströmte Gesicht schlug, dass sie rückwärts gegen die Tür stolperte.
     
    Er wandte sich brüsk ab, da es ihn beinahe übermenschliche Kräfte kostete, sie nicht hier, an Ort und Stelle, wieder und wieder zu ohrfeigen. Und ihr das falsche Lächeln aus dem Gesicht zu wischen. Sie waren alle Huren! Auch wenn sie vorgaben, tugendhaft und schwer zu erobern zu sein, war ihre Schamlosigkeit eine Beleidigung für die Männlichkeit. Je mehr eine Frau die Gegenwart ihres Gemahls in ihrem Ehegemach genoss, desto sicherer konnte sich dieser Gemahl sein, dass sie ihn hinterging. Früher oder später würde sie die verbotene Frucht kosten wollen, da ihr Wille ebenso schwach war wie ihr Fleisch. Mit einem gezischten Fluch brachte er etwas Abstand zwischen sich und die Frauen und versuchte, sein Blut zu kühlen.
     
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    Ein donnernder Salut, der von den Klippen widerhallte, brachte die Damen auf die Beine. „Es ist Christoforos Schiff!“, stieß Desdemona erregt hervor und hastete ans Ende des steinernen Landungsstegs. „Mein Gott, sieh nur, ihre Segel!“, hauchte sie entsetzt. Das Kriegsschiff des Provveditore wirkte noch gebeutelter als Cassios Karavelle. Der Hauptmast war entzwei und das zerfetzte Hauptsegel hatte sich in den Wanten verfangen. Es erinnerte an ein in schmutzige Lumpen gehülltes Skelett. Hinter Christoforos Schiff umrundeten weitere die Klippen – die meisten davon in mitleiderregendem Zustand.
     
    „Ich kann Francesco sehen! Und Christoforo!“, rief Angelina, die die Gegenwart der anderen Männer vollkommen vergessen zu haben schien. „Sie sind wohlauf!“ Sie umarmte ihre Schwester leidenschaftlich und platzierte einen schmatzenden Kuss auf ihrer Stirn. „Gott sei Dank“, flüsterte Desdemona und drückte Angelinas feuchte Hand. Sie sahen in ungeduldiger Vorfreude dabei zu, wie die Schiffe in das Hafenbecken schlichen, und als die erste Karavelle vertäut war, schlugen die beiden jungen Frauen alle Schicklichkeit in den Wind und eilten auf die ramponierte Bordwand zu.
     
    „Mein Liebster!“ Desdemona presste die Wange an die Brust ihres Gemahls. Gierig sog sie das wunderbare Gefühl ein, das seine starken Arme hervorriefen, als er sie um ihren bebenden Körper legte. „Oh, mein tapferer kleiner Krieger!“, flüsterte Christoforo ihr unter Küssen ins Ohr. „Ich hatte solche Angst um dich“, schluchzte sie. „Das brauchtest du nicht, Liebste. Kein Sturm, egal wie wild, könnte mich von dir fernhalten!“ Er vergrub das Gesicht in ihren nach Salz duftenden Locken und genoss einige Herzschläge lang einfach nur ihre Gegenwart. Dann befreite er sich sanft aus ihrer Umarmung, um den Luogotenente und seine Männer zu begrüßen. „Es gibt Neuigkeiten, meine Freunde“, verkündete er strahlend, nachdem er Marcantonio mit so viel Überschwang umarmt hatte, dass der kleinere Mann zusammenzuckte. „Unser Krieg ist vorbei! Die Türken sind ertrunken!“ Marcantonio nickte. „Ja, General, Cassio hat uns bereits vom Schiffbruch der Flotte berichtet.“ Christoforo grinste breit und ergriff Cassios Hand, der sich respektvoll hatte verneigen wollen. „Das muss gefeiert werden!“, schlug der General vor, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als er Angelina erblickte, die glücklich lächelnd in den Armen eines seiner jungen Offiziere lag. Mit einem Stirnrunzeln wandte er sich an Desdemona. „Was macht deine Schwester hier?“, fragte er misstrauisch. „Haben deine Eltern ihr erlaubt, dich zu begleiten?“ Desdemona sank der Mut. Sollte der Moment der Glückseligkeit nur so kurz währen? Sie senkte den Blick und schüttelte schuldbewusst den Kopf. „Nein“, gestand sie kleinlaut. „Sie hat mich gebeten, sie an Bord

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