Die Töchter der Lagune
er hatte den Schmerz in vollen Zügen genossen, den er ihr beim Durchstoßen des Hymens zugefügt hatte. Ihre Schreie hatten sich nach einer Weile gelegt, doch ihre gebrochenen Augen hatten ihm mitgeteilt, dass er sein Ziel, sie komplett zu demütigen, erreicht hatte. Er hatte sich seit Ewigkeiten nicht mehr so großartig und mächtig gefühlt wie in diesem Moment. Er würde bald wieder nach ihr schicken – dann konnte er sich ein wenig mehr Zeit nehmen, um seinen neuen Besitz zu erkunden.
Kapitel 22
Zypern, Famagusta, Februar 1571
Die folgenden Wochen vergingen in emsiger Vorbereitung auf eine ernst zu nehmende Belagerung. Unter Marcantonio Bragadins Kommando inspizierten die venezianischen und zypriotischen Soldaten die Befestigungsanlagen und verstärkten die Wälle und Mauern, wo immer die türkischen Kanonenkugeln die Struktur des Verteidigungssystems der Stadt beschädigt hatten. Christoforo Moro hatte eine Zählung der Männer veranlasst, und das entmutigende Ergebnis war, dass ihre Armee lediglich aus ungefähr 8 300 Männern bestand: Venezianern, Zyprioten und einer Handvoll Söldnern, die nach dem Fall Nikosias in die Stadt gekommen waren. Die Belagerer hatten den unablässigen Beschuss der Porta de Limassol , des Landtores, nicht eingestellt, und der Ravelin – das hufeisenförmige Außenwerk vor den Kurtinen der Festung – hatte ernstlichen Schaden genommen. Obschon der Tag relativ kühl war, schwitzten die Männer, die unter dem Feuerschutz dutzender Musketiere schwere Steinblöcke schleppten, um die Löcher in den Mauern auszubessern, in der frühen Frühlingssonne.
Viele der auf der Insel verbreiteten Mandelbäume trugen bereits rötlich weiße Blüten. Und die knorrigen, immergrünen Olivenbäume wiegten sich in der sanften Brise, die vom Meer ins Landesinnere wehte. Die Luft war schwer vom salzigen Duft der See, und ausgelassene Möwen jagten sich lauthals schimpfend über den Köpfen der sich abmühenden Männer. „Puh!“ Francesco ließ den Quader aus behauenem Sandstein an seinen Platz fallen und wischte sich mit einer schmutzigen Hand die nass glänzende Stirn. „Ja“, stimmte sein Nebenmann, ein weiterer junger Soldat aus Jagos Regiment, mürrisch zu. „Das ist nicht ganz das, was ich mir vorgestellt hatte, als man mich für diesen Krieg rekrutiert hat.“ Er rümpfte die Nase. „Das ist Arbeit für Bauern!“ Francesco nickte erschöpft und beugte sich über einen der vielen mit Wasser gefüllten Eimer, um einen Schluck aus der hölzernen Kelle zu nehmen. Er hatte es sich ebenso wenig so vorgestellt. Wann würde er endlich den ersten wirklichen Zusammenstoß mit dem Feind erleben? Die Männer wurden der täglichen Routine des Ausbesserns und Vertiefens der Gräben langsam müde. Sicherlich, manchmal wurde man für den Dienst auf den Befestigungen eingeteilt, um die anderen vor den tückischen osmanischen Pfeilen zu schützen. Doch Francesco wurde das Gefühl nicht los, dass die Angreifer nicht mit Herz und Seele bei den schlampig ausgeführten Attacken waren. Sie wollten nur Zeit gewinnen, bis ihre Verstärkung eintraf, und die Eingeschlossenen beschäftigen und nervös machen. Die Verteidiger wussten, dass das Überleben ihrer Stadt von der Stärke der Verteidigungsanlagen abhing. Laut ihren Spionen befand sich eine riesige Landarmee auf dem Weg nach Syrien, um von dort aus nach Zypern überzusetzen. Bis diese Streitmacht ankam, musste Famagusta uneinnehmbar gemacht werden.
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Die ägäische Küste, vor den Toren Antalyas, Februar 1571
„Allah hat uns verlassen!“, fluchte Mustafa leise, dem erschöpften Boten, der die verheerende Nachricht vom Untergang ihrer Flotte gebracht hatte, den Rücken zugewandt. Seine gutaussehenden Züge verzerrten sich in verzweifelter Wut, als er versuchte, die niederschmetternde Neuigkeit zu verdauen. „Wie konnten sie nur so dumm sein?“ Die wenigen halb ertrunkenen Überlebenden, denen es gelungen war – an zerschmetterte Planken der vormals stolzen Schiffe geklammert – die Küste von Zypern zu erreichen, hatten dem Befehlshabenden auf der Insel von dem kurzsichtigen Leichtsinn des Flottenkommandanten berichtet. „Jeder unmündige Knabe weiß, dass man in einem Sturm die Segel einholen muss!“ Zugegeben, es war nicht nur auf die hirnlose Unterlassung des Kapitäns zurückzuführen – scheinbar hatte ein mächtiger Blitz die Karavelle mit den Pulverfässern getroffen. Doch hätten die Narren die einfachen
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