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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ihr als persönliche Dienerin zugeteilt worden war, verbrachten die beiden Mädchen beinahe jede freie Minute miteinander – nur die Nächte, in denen Selim Elissa befahl, in seine Gemächer zu kommen, bedeuteten eine Ausnahme.
     
    Während der ersten beiden Wochen hatte Elissa jede Nacht geweint. Sie hatte ihren geschändeten Körper gehasst wie einen Feind und alle möglichen Fluchtpläne ersonnen; war alle möglichen Szenarien durchgegangen, doch die Ausführung scheiterte jedes Mal an den scheinbar turmhohen Mauern, welche die inneren Gärten des Harems umschlossen. Und selbst wenn es ihr gelang, dieses Steinhindernis zu überwinden, würden sie in den äußeren Höfen und Gärten weitere, noch strenger bewachte Barrieren erwarten. Der Palast war eine Festung, deren Mauern mit Zinnen gekrönt und deren Bastionen und Tore stark befestigt waren. Es war hoffnungslos! Als Halil die beiden Furcht einflößenden Palastwachen vor ihrer Tür abgezogen hatte, war es ihr wie eine Erleichterung erschienen. Da sie sich nicht mehr sträubte, wenn Selim nach ihr schickte, konnte sie sich wenigstens innerhalb des Harems frei bewegen und gehen, wohin sie wollte. Aber es gab keinen Augenblick, in dem sie vergessen konnte, dass sie eine Gefangene war – eine Gefangene, die das Recht auf ihren eigenen Körper verwirkt hatte.
     
    „Du passt überhaupt nicht auf!“, schalt Neslihan. Das stoische kleine Mädchen mit den weisen Augen war zu einer unentbehrlichen Hilfe geworden. Sie bot ihrer Herrin und Freundin Unterstützung in einer Zeit der bitteren Not und versicherte Elissa, dass hinter allem, was ihr widerfuhr, ein tieferer Sinn verborgen lag. Laut Neslihans Überzeugung war alles Teil eines unergründlichen göttlichen Planes. Und diejenigen, die ihr Schicksal oder Kismet ohne Murren ertrugen, würden entweder noch in diesem oder aber im Leben nach dem Tode dafür belohnt. „Du musst die Lippen runden“, wiederholte sie die Anweisung. „ Gümüs. Es ist ganz einfach.“ Elissa versuchte erneut, den schwierigen Namen der Frau, die sie an ihrem ersten Tag im Palast getroffen hatte, auszusprechen. „ Gimis .“ „Nein!“ Neslihan verdrehte die Augen. „ Ü. “ „Ach, vergiss es! Ich werde es niemals lernen!“, protestierte Elissa lachend. Die Sprache der Osmanen war elegant, aber äußerst kompliziert. Die Worte waren wie Perlenschnüre, an denen jede einzelne Perle für eine bestimmte Bedeutung stand. Und die Aussprache war tief guttural und dennoch melodisch – unmöglich für sie zu reproduzieren.
     
    „Ein letzter Versuch“, drängte Neslihan. „ Bana arkadaşini söyle, sana kim olduğunu söyleyeyim. Sag’ mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist. Ein altes Sprichwort.“ Neslihan grinste. „ Bana arkada… “, begann Elissa. „… şini ”, half Neslihan und fuchtelte wie der Dirigent eines Chors mit den Armen. „ Söyle sana kim… “ . „Ja, mach weiter! Du bist gut.“ „ Olduğunu söyleyeyim. ” „Großartig!“ Die Augen des kleinen Mädchens funkelten vor Stolz, als sie ob Elissas Leistung in die Hände klatschte. „Nochmal!“ Elissa wiederholte den schwierigen Satz drei weitere Male, bis sie ihn schließlich fließend und ohne Pause zwischen den einzelnen Worten aussprechen konnte. Wie wahr, dachte sie, als sie über die Bedeutung der Weisheit nachdachte. Aber nur, wenn man sich seine Gesellschaft frei aussuchen konnte!
     
    Ihre bitteren Gedanken wurden vom Rascheln trockener Blätter und dem Aufblitzen eines gelben Gewandes zu ihrer Linken unterbrochen. „Schschsch!“, warnte Neslihan, als Elissa die Bewegung kommentieren wollte, und ergriff ihre Hand, um sie hinter eine der hoch aufragenden Säulen zu ziehen, die den überdachten Rundgang um den Garten säumten. „Warte“, flüsterte Neslihan und legte den Finger an die Lippen, um Elissa zu signalisieren, dass sie schweigen sollte. Während sie durch das dichte Laub eines blütenlosen Rosenbusches lugten, warteten die Mädchen geduldig, was als Nächstes geschehen würde. Sie hatten sich kaum hingekauert, um nicht von demjenigen entdeckt zu werden, der sich hinter den Oliven- und Mandelbäumen verbarg, die dicht an der hohen Mauer wuchsen, als sie einen jungen Mann scheinbar aus dem Nichts auftauchen sahen. Neslihan unterdrückte einen erstickten Schreckensschrei und stieß Elissa mit ihrem knochigen Ellbogen in die Rippen. Elissas Augen schossen zurück zu der Baumgruppe, als ein Mädchen in einem gelben Kaftan

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