Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
Vom Netzwerk:
vierundzwanzig Stunden pro Tag, und zwar dreißig Jahre lang oder so lange, wie dam es eben aushält.“
    Er trank das Glas aus und schenkte nach. „Und wenn wir diesen Vierundzwanzigstundenjob nicht bis aufs I-Tüpfelchen zu ihrer Zufriedenheit ausführen, dann knallt es. Santa Klara, Petronius! Wenn ich an deiner Stelle wäre... also wenn ich du wäre, dann täte ich, wozu ich Lust hätte. Ich würde alle Träume von Haus und Kind sausen lassen und mich nur um mich selber kümmern.“ Er stand auf und ging für eine Weile hinaus. Petronius sah, wie schön er das Zimmer für ihn gemacht hatte. Alles war an seinem alten Platz, genau wie früher: die Seefrau und das Muschelarmband und alles andere. Kristoffer kam mit einem dicken Packen Umschläge zurück. Vorsichtig öffnete er sie, einen nach dem anderen. Petronius traute seinen Augen nicht: Es waren Zeichnungen, eine besser als die andere. Kristoffer breitete sie vor ihm auf der Bettdecke aus. Da gab es Spannbrücken und Hängebrücken, Fußgängerbrücken und Zugbrücken, Silberbrücken, Goldbrücken, rostrote Brücken; detaillierte Zeichnungen verschiedener Brückenkonstruktionen, Brücken aus der Vogel- und Brücken aus der Froschperspektive, Brücken inmitten der Landschaft, Brücken aus großer Entfernung über dem Meer und von einer Bergspitze aus gesehen. Die Luksus-Brücke und die Nord-Brücke — wie sie früher ausgesehen hatten: zu einem Viertel fertig, halbfertig, ganz fertig. Es waren Brücken in allen möglichen Arten und Größen. Brücken in allerlei Farben. Brücken in diskretem Schwarzweiß. Brücken so nüchtern wie auf Konstruktionsplänen. Große, farbensprühende Phantasiebrücken, die nie gebaut werden konnten.
    „Hast... hast du all diese Brücken gezeichnet?“ Petronius war ganz rot im Gesicht. Behutsam nahm er eine Zeichnung nach der anderen auf und sah sie sich genau an, so als würden sie kaputtgehen, wenn er mit ihnen unvorsichtig umging. Wie aus allen Wolken gefallen starrte er abwechselnd seinen Vater und dann wieder die Zeichnungen an.
    „Keine weiß davon“, sagte Kristoffer ruhig. „Du bist der erste, dem ich sie zeige.“
    So saßen sie lange da und schauten sich die Zeichnungen an. Kristoffer erzählte, wann er jede einzelne angefertigt und was er sich beim Zeichnen gedacht habe, wie sie aufgebaut und warum einige Brücken nur Phantasiegebilde seien, wie er damals, als er ein Junge gewesen sei, mit den Ingenieurinnen gesprochen und alles über Brücken gelesen habe, was ihm in die Hände gekommen sei, und wie er gehofft habe, all das wieder aufzunehmen, als ihm von Rut mitgeteilt worden sei, er solle Mirabello haben. Und Kristoffer erzählte seinem Sohn, wie reduziert er sich fühle, weil er alt werde, und daß er einfach resigniert habe, als Rut verlangt habe, er solle sich gefälligst kastrieren lassen, daß er sich absolut wertlos vorkomme und wie weh das tue, denn er fühle, daß er für Mirabello kein guter Vater sein könne, weil er eben das Gefühl habe, nichts mehr geben zu können, was ihn mit einem schlechten Gewissen erfülle. Und all das habe er in den Brückenzeichnungen zum Ausdruck bringen wollen.
    „Auch ich wurde geschlagen, Petronius. Öfters sogar. Von deiner Mutter. Und immer mußte ich mir eine neue Lüge ausdenken, um es zu verbergen. Die Gründe, warum Rut zuschlug, hatten einen fast krankhaften Charakter. Meistens war sie der Meinung, ich sei mit anderen Frauen zusammen gewesen.“
    Petronius atmete schwer. Er hatte es geahnt, vielleicht sogar gewußt. Doch hatte er nie zu fragen gewagt. Er strich seinem Vater über den Arm.
    „Einmal glaubte sie, ich hätte mit Lis Ödeschär geschlafen!“ Kristoffer lächelte schief.
    „Lis Ödeschär ist homosexuell.“
    „Was!?“
    „Lis Ödeschär ist homosexuell.“
    „Wie... ich meine... ho... homo... hast du homosexuell gesagt?“
    „Ja. Ich habe sie neulich in der Homo-Bar getroffen... Bin dort rein zufällig mit Baldrian gewesen.“
    Das sollte ganz beiläufig klingen. Plötzlich hatte er Angst, wußte aber nicht, warum. Vater und Sohn sahen sich bedeutungsvoll in die Augen. Dann nahmen sie jeder einen großen Schluck. „Sie hatte eine hochgetürmte Perücke auf“, sagte Petronius, um seine Antwort glaubwürdiger zu machen. Er merkte aber sogleich, daß sich alles nur noch unglaubwürdiger anhörte.
    „Nein, Petronius! Jetzt phantasierst du aber!“ Kristoffer schlug einen leicht spöttischen Ton an, Petronius empfand Erleichterung.
    „Es

Weitere Kostenlose Bücher