Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
Vom Netzwerk:
Herrlein Uglemose. Das ist auch Ihr Schicksal. Sie können sich natürlich darüber beklagen, daß Sie als Mann geboren wurden. Aber dagegen können weder Sie noch ich etwas machen.“ Es folgte eine kleine Pause, als wolle sie sich ein wenig daran laben, daß dam da wirklich nichts machen konnte. „Deshalb habe ich doch auf ganz natürliche Weise meinem Kind das Leben geschenkt, sein Leben bewahrt — etwas, wozu Sie gar nicht geschaffen sind. Das war alles für heute. Sie können gehen, Herrlein Uglemose.“
    Die Audienz war vorbei. Das Herrlein schlich langsam zur Tür. Er war verblüfft und verwirrt. Wie konnte Rektorin Barmerud ihr intensives Gespräch in solche Trivialitäten münden lassen, die dam schon tausendmal zuvor gehört hatte!
    Rektorin Barmerud betrachtete seinen Hintern. Wieder tauchte das Bild vom Eichenwald in ihrem Kopf auf. Würde sie seinen Hintern noch immer so begehren, wenn sie ihn jetzt nackt sähe? Der Hintern verschwand, und die Tür wurde wieder geschlossen. Rektorin Barmerud nahm sich sofort die Arbeit für den Nachmittag vor.

Der Strand, die Steinstatue und der Eichenwald

    Petronius lief durch den Wald zum Wasser hinunter. Es begann zu dämmern. Er ging nicht gern im Halbdunkel durch den Wald. Die Äste wurden dann immer zu knorrigen, braunschwarzen Gebilden; die Stämme waren dick und unverrückbar. Dam konnte nie wissen, ob dahinter nicht eine Frau lauerte. Als Petronius klein war, hatte er von dunkelgekleideten Frauen gehört, die — sich im Wald versteckten und nur darauf warteten, kleine Jungen zu fangen, um mit ihnen irgend etwas Schändliches zu treiben. Eigentlich hatte er nie richtig erfahren, was für schändliche Dinge das waren. Die Angst vor diesen dunklen Gestalten hatte ihn aber nie ganz verlassen. Plötzlich raschelte es, nur einige Meter von ihm entfernt. Petronius zuckte zusammen, dann stöhnte eine Männerstimme: „Nicht so fest, Ida.“ Ach so, nur welche, die sich liebten. Er lief schnell weiter.
    Die Wellen glitzerten, als er zum Strand kam. Die großen Kullersteine leuchteten ihm entgegen, auch der Himmel war nicht so dunkel wie im Wald. Es war fast still. Die breiten, glänzenden Wellen schlugen ruhig gegen die Steine und strömten zwischen ihnen hindurch zu sich selbst zurück, als würde das Meer atmen. Hier unten war es immer ganz anders. Von der Terrasse aus schien das Meer tot zu sein, wie ein blinder Spiegel. Hier unten lebte es.
    Petronius zog seine engen Schuhe aus und balancierte auf den runden, glänzenden Steinen. Sie waren noch warm, wärmer als die Luft. „Die Wibschen sollten eigentlich immer barfuß gehen.“ Jedesmal, wenn er barfuß lief, hatte er das Gefühl, daß die Füße eigentlich Greifwerkzeuge waren und einfach in viel zu enge Schuhe gepreßt wurden. Schießlich richteten sie sich immer ein wenig nach der Mode. Jetzt hatten sie gerade spitzzulaufend und kanuförmig zu sein.
    Petronius’ grüne Kanu-Schuhe standen verlassen am Strand und gähnten den Himmel an. Er ging geradewegs auf die Steinstatue zu und hob einen Stock auf. Die Statue stand so weit draußen, daß sie bei Hochwasser ein Fußbad abbekam. Petronius stand vor ihr, mit den Füßen im lauwarmen Wasser. „Du bist dumm“, sagte er leise. Unberührt spähte die Steinstatue zum Horizont. „Du bist dumm“, sagte er etwas lauter. Ich verstehe dich nicht. Darum bist du dumm.“ Er hämmerte mit dem Stock gegen ihre Schläfe. „Kapierst du denn nicht, daß es nicht lohnt, hier so rumzustehen? Seit wann stehst du hier so? Seit zwanzig Jahren. Vor zwanzig Jahren ist ihnen eingefallen, auch dein Leid zu verewigen.“ Petronius umarmte den großen, runden Leib der Statue und legte seine Wange an ihren kalten rauhen Bauch.
    „Ich bin so allein“, flüsterte er. „Du darfst hier nicht so stehen und versteinern, in deinem Schmerz so erhöht werden. Ich habe doch gesagt, daß ich zurückkommen werde. Erinnerst du dich? Ich habe dir doch erzählt, daß ich zum Einführungsball gehen werde.“ Er schaute auf und sah ihr steinernes Kinn. „Nein, daran erinnerst du dich nicht. Denn du denkst nur an die da draußen, an die Frauen, die nie zurückkommen. Aber jetzt nehmen wir mal an, du würdest dich an mich erinnern. Also, ich bin dort gewesen auf dem Einführungsball, ja? Genau eine Woche und einen Tag ist es her. Es war ganz anders, als ich es mir gedacht hatte. Ich hatte mir irgendwas in der Art von rosaroten Wölken vorgestellt.“ Er spürte den Wind im Nacken und rubbelte

Weitere Kostenlose Bücher