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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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Sehnsucht nach dem Meer. Als er davon seinem Lehrer erzählte, hatte dieser geantwortet, er sei von den falschen Dingen ergriffen. Denn das Gedicht handle überhaupt nicht von der Sehnsucht nach dem Meer, sondern im Gegenteil von der Sehnsucht nach dem Land. Herrlein Uglemose meinte zwar immer noch, es sei die Sehnsucht nach dem Meer, konnte aber nicht erklären, warum.
    Und nun stand Ba also oben auf ihrem Tisch, agitierte für mehr Schwangerschaften und die ganze Klasse lag vor Lachen über den Tischen. Sie hatte auch eine Riesentüte mit Weingummi-Frauchen gekauft und bot allen in der Klasse welche an. Herrlein Uglemose fragte sich, ob sie überhaupt bemerken würden, wenn er den Raum verließ. Glücklicherweise klingelte es, ehe alle Tische völlig umgeschmissen waren. Die Kinder stürmten aus der Klasse, ohne ihm auch nur einen Blick zu schenken. Das Herrlein räumte das Gröbste weg. Es war nämlich schon passiert, daß der Putzmann sich geweigert hatte, einen solchen Dreck sauberzumachen. Er schloß die Tür ab. Das war die letzte Stunde. Er ging die Treppe hoch, hielt vor der Tür der Rektorin inne, zögerte einen Augenblick und klopfte dann. „Herein!“ erklang es freundlich. Das war die Stimme des Sekretärs. Herrlein Uglemose trat ein. „Die Rektorin ist noch nicht da“, sagte der Sekretär, tippte weiter und fuhr fort, als das Herrlein ein bißchen unbeholfen stehen blieb: „Aber die Rektorin erwartet Sie, ich habe mit ihr telefoniert. Sie muß jeden Augenblick kommen. Nehmen Sie doch Platz.“
    Der Sekretär war immer so freundlich und konnte auf alle Anliegen eingehen. Er tat alle möglichen Dinge, die eigentlich nicht zu seiner Arbeit gehörten. Und immer mit einem Lächeln. Er wurde immer Herbert genannt. Es machte Herrlein Uglemose betroffen, daß er nicht einmal Herberts Nachnamen wußte. Vielleicht hatte er gar keinen.
    Das Büro der Rektorin war groß und luftig, mit einem Riesenfenster, das auf den Liv P. Livtochterweg hinausging. Das Herrlein stand da, betrachtete die großen, weißen Segelkutter und dachte, daß es irgendwie befreiend wirke, in dies Zimmer zu kommen, abgesehen von dem riesigen, spiegelblanken Schreibtisch der Rektorin. Doch der Blick aus dem Fenster wirkte befreiend. Die Fenster des Lehrerinnenzimmers führten dagegen nur auf den Schulhof. Das Herrlein setzte sich auf den Stuhl an der peinlichen, der Besucherseite des Schreibtisches. Er hielt den lachsroten Koffer auf dem Schoß, um so den PH zu verbergen. Sein ganzer Körper war steif und angespannt. Jede Sekunde erwartete er, daß der Türgriff niedergedrückt würde. Dennoch erschrak er, als er endlich das Geräusch hörte und die Rektorin zehn Minuten zu spät hereinmarschierte.
    „Nanu! Sie sind schon da?!“ rief sie und setzte sich hinter die sichere Seite des Schreibtisches. Herrlein Uglemose sah sie an. Sie trafen sich nicht oft ohne Gesellschaft. Immer nur, wenn Formalitäten sie dazu zwangen. Vermied sie solche Begegnungen? Jetzt dachte er wieder daran, wie sie damals zusammen waren, damals, als Syprian empfangen wurde. Seitdem hatte sie sich sehr verändert. Sie war wenigstens doppelt so dick geworden und hatte einige Falten dazubekommen. Dennoch nahm er eine Art verfeinerter Schönheit in ihrem Gesicht wahr. Sie sah müde aus. Nichts strahlt soviel Ruhe und Würde aus wie ein müdes, altes, faltiges Gesicht, dachte Herrlein Uglemose. Die Augen waren schmal, doch durchdringend. Meine Göttin, wie er sie geliebt hatte! Ganz plötzlich kam es wieder über ihn, jetzt, da sie allein waren.
    „Gut“, sagte die Rektorin Barmerud entschieden, ohne ihn anzusehen.
    Ich habe Ihnen eine Nachricht zukommen lassen. Die haben Sie doch bekommen?“ Das Herrlein nickte und dachte, das ist doch sonnenklar, sonst säße er ja nicht hier. Aber als die Rektorin ihm keinen Blick schenkte und so auch nicht sehen konnte, daß er genickt hatte, wiederholte sie: „Die haben Sie doch wohl bekommen?“
    „Ja“
    „Es betrifft Ihren Unterricht, Herrlein Uglemose. Bedauerlicherweise habe ich erfahren — bedauerlicherweise, Herrlein Uglemose — , daß Ihr Unterricht in gewissen Punkten nicht unseren Zielsetzungen entspricht. Richtiger gesagt, Sie haben politische Agitation in einer Form betrieben, die wir an einer Schule wie der unseren nicht gutheißen können. Es ist ein Grundprinzip unserer Schulform, daß wir sachlich und objektiv in unseren Darlegungen sind. Es ist anzuerkennen, daß Sie Ihren eigenen, selbständigen Standpunkt

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