Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
Vom Netzwerk:
der Statue das Kreuz. „Siehst du, so. Nun werde ich dich wärmen. Hast du dir je ausgemalt, wie es ist, auf starken Armen im siebenten Himmel zu schweben? Schlaftrunken in Genüssen zu schwelgen? Aber so war es gar nicht. Und wenn die Frauen, auf die du hier wartest, wirklich nach Hause kommen, wird es auch nicht so sein. Sie kam, nahm mich, schlief ein und ging fort. Vielleicht ist sie da draußen unter denen, die du erwartest, denn soviel ich weiß...“
    Petronius erschrak und stockte. Er sehnte sich nach ihr. Er starrte in dieselbe Richtung wie die Steinstatue „O Mutter! Wäre sie doch nur hier! Ich weiß nicht, wer sie ist. Ich weiß nur, wie sie heißt. Aber ich wage es nicht, mich nach ihr zu erkundigen. Sie hat mich genommen, und ich weiß, daß ich zu ihr gehöre. Deshalb traue ich mich nicht. Begreifst du das?“
    Petronius strich mit dem Stöckchen vorsichtig über den Rücken der Steinstatue und fing wieder an zu murmeln: „Juckt es dort? Ein bißchen höher? Unter dem linken Flügel vielleicht? Kann deinen Flügel fast nicht sehen. Doch, hier ist er ja. Du bist so mollig und gut. Also, wir waren beim Ball. Danach ging ich runter, aber sie war weg. Ich traute mich nicht, nach ihr zu fragen. Ich war sicher, alle konnten mir die Veränderung ansehen. Die einzige, von der ich wußte, daß sie sie kennt, lag stockbetrunken in einer Nische und schnarchte. Sie soll sich ja Syprian genommen haben. Ich ging in die Bar. Die meisten Frauen waren schon ganz schön voll. Sie starrten mich von oben bis unten an. Alle konnten es mir ansehen. Aber keine sprach ein Wort mit mir. Eine fummelte mit ihrem Zeigefinger an meinem PH herum, der habe ich aber eine gehauen. Dann bin ich nach Hause gegangen.“
    Petronius begann zu frieren. Er wandte sich dem Meer zu und lehnte sich an die Steinstatue. Weit, weit draußen konnte er Ödeschär erahnen. Nie war er dort gewesen, er war überhaupt noch nicht aus Egalsund herausgekommen. Langsam ging er auf den Strand zu. Petronius zuckte zusammen. Dort, ein kleines Stück von ihm entfernt, etwa dreißig Meter weiter, sah er eine dunkle Frauengestalt. Sie stand regungslos da, die Beine ein wenig gespreizt, das Gesicht halb von ihm abgewandt. Er blieb wie versteinert stehen und starrte in ihre Richtung, als verböte ihm ihre Gegenwart, sich zu rühren. Er wußte nicht, ob sie ihn gesehen hatte. Doch so, wie sie dastand, hatte er den Eindruck, als habe sie Augen an der Seite, die auf ihn zurückstarrten. Langsam und vorsichtig balancierte er auf den glatten, schlüpfrigen Steinen weiter. Sie drehte sich nicht nach ihm um und ging in die entgegengesetzte Richtung, hinaus zum Wasser. Petronius lief zum Waldweg, wo er seine Schuhe hatte stehenlassen. Er blickte sich nicht mehr nach der Frau um und rannte noch schneller. Atemlos erreichte er den Weg. Die Schuhe waren nicht mehr da. Warum waren sie weg? Hatte sie die mitgenommen? Warum? Wollte sie, daß er zu ihr zurückkam und um seine Schuhe bat? Was wollte sie von ihm? Wer war sie? Warum hatte sie die Schuhe genommen? Petronius rannte durch den Wald. Je weiter er lief, desto ängstlicher wurde er. Zweige piekten unter den Füßen. Überall sah er dunkle Gestalten hinter den Stämmen hervorlugen. Die Äste wurden zu knorrigen Köpfen, mit krummen Nasen und grinsenden Mündern. Überall raschelte das Laub und verriet schnelle Schritte. Jetzt glaubte er, daß sie hinter ihm war. Ein Ungeheuer, doppelt so groß wie er. Schon spürte er ihren Griff in seinem Nacken. Sie würde ihn packen und zwingen, in ihr häßliches und zugleich anziehendes Gesicht zu sehen. Er versuchte, schneller zu laufen, hatte aber keine Kraft mehr. Ihm schien, als würde er sie jetzt hinter sich keuchen hören. Wenn er nicht bald eine Pause einlegte, würden seine Knie unter ihm nachgeben. Er taumelte mit dem Gesicht in einen Ast. Für einen Augenblick konnte er den Weg nicht mehr erkennen, stolperte und stürzte der Länge nach zu Boden.
    Als er zu sich kam, standen drei dunkle Gestalten um ihn herum. Ihre Gesichter glänzten ihm aus der Dunkelheit verschwitzt entgegen. Sie stierten ihn an, wollten etwas von ihm. Die Kraft ihrer Blicke und die unbeweglichen Gestalten nagelten ihn fest. Er merkte, daß er alle Muskeln in seinem Körper anspannte und ganz still dalag, als würde auch nur die geringste Bewegung seinen Widerwillen verraten. Mit einem Griff unter die Achseln wurde er hochgezogen. Seine Beine wurden ganz schlapp — wie bei einer Dreijährigen, die

Weitere Kostenlose Bücher