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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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ihrer Führung auszusetzen hätten, könnten sie Leine ziehen. Lis Ödeschär sah in ihrer blauweißen Uniform prächtig aus und salutierte, als die Steuerfrau an Bord kam. Der Anker wurde gelichtet, und die Anders Lovindus nahm Kurs auf die Inselgruppe der Ödeschären. Es waren fünfundzwanzig Frauen an Bord: die Cheftaucherinnen, die Taucherinnen und die gewöhnliche Weibschaft. Die Taucherinnen blieben achtern auf dem zweiten Deck unter sich und kamen erst hoch, als sie vor Ort waren. Die Weibschaft wohnte unter den Taucherinnen, die Cheftaucherinnen und Petronius dagegen vorn.
    Es dauerte einige Stunden, bis sie Spruten, die äußerste Insel der Ödeschärengruppe, erreicht hatten. Lis Ödeschär stand auf Deck und hielt Ausschau. Das Boot lag gut im Wasser. Ein gutes Stück vor Spruten hißten sie die Segel und ließen das Boot gleiten. Ödeschär erklärte Petronius, daß die Speerbeißer den Maschinenlärm schon von weitem hören könnten und sofort die Flucht ergriffen. Bald würden sie auch gelernt haben, das Schlagen der Segel zu hören. „Das sind wirklich richtige Schlauberger. Göttin weiß, wie oft die Taucherinnen ihre Fangmethoden verändern müssen.“ Dann offenbarte Ödeschär Petronius ihre Zweifel an den Zukunftsaussichten dieser Arbeit. Eigentlich sei der Speerbeißerfang ein reines Luxusunternehmen. Er könne nur so lange weiter betrieben werden, wie die Leute bereit seien, die überhöhten Preise für diese Delikatessen zu bezahlen.
    Sie ankerten vor Spruten. Es ging eine starke Brise. Die Taucherinnen kamen an Deck. Auf dem Rücken trugen sie Köcher. In ihnen waren die an langen Leinen befestigten Speere. Das Ende der Leinen war an Winden auf Deck festgemacht, Ödeschär spähte über die Meeresoberfläche, bis sie einen ganzen Schwarm Speerbeißer entdeckte. Die Taucherinnen sprangen über Bord und verschwanden. Petronius bekam Angst. Woher wußten sie, daß sie wieder hochkommen würden? Er fragte Ödeschär. Sie lachte herzlich, rieb sich das Kinn und antwortete: „Tja, natürlich ist es auch möglich, daß sie dort unten bleiben. Ja, so ist das nun mal!“ Petronius starrte auf die Luftblasen, die an die Oberfläche stiegen. „Solange Blasen aufsteigen“, bemerkte er zaghaft, heißt das doch, daß die da unten noch leben.“ Ödeschär brach in schallendes Gelächter aus. „Richtig, genau das bedeutet es.“ Petronius sei ja ein ganz pfiffiges Kerlchen. Dann wollte er wissen, wie sie gefangen würden. „Sie stoßen die Speere in den Rachen der Tiere und rucken kurz an der Leine, wir drehen an den Winden, die Leine kommt hoch. Und dann ist hoffentlich ein Speerbeißer am anderen Ende. Wenn die Taucherinnen keine Speere mehr haben, kommen sie hoch, sammeln die Speere wieder ein und tauchen noch einmal.“
    „Es ist bestimmt wunderschön dort unten“, sagte Petronius träumerisch. „Wo?“
    „Auf dem Meeresboden.“
    „Ha, ha! Die Frauen haben keine Zeit, auf die Schönheit zu achten. Sie haben genug damit zu tun, an den Fang zu denken.“
    „Aber war es nicht schön, als du dort unten warst?“
    Seit er vom Tauchen träumte — all die Jahre über — , hatte ihn am meisten die Landschaft dort unten fasziniert. Er hatte große Farbabbildungen davon gesehen und meinte, dam würde in eine andere Welt kommen. „Doch“, nickte Lis Ödeschär, „doch, es war schon schön. Aber du mußt begreifen, Petronius, für eine Frau ist das Abenteuer die Wirklichkeit. Es verliert dadurch etwas von der Anziehungskraft, die es auf Männer ausüben kann. Die Männer glauben immer, alles, was Frauen machen, sei voller Heldenmut und Glanz. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. Das Leben ist ein harter Kampf, Petronius.“ Ödeschär sagte dies nicht ohne Hintergedanken. Für das junge Herrlein Bram war es ihrer Meinung nach das beste , wenn er einsah, wie trivial und langweilig das Leben einer Seefrau eigentlich war. Denn die ganze Romantik vom Leben auf See hatten letztlich doch die Männer erfunden.
    Es ruckte an der Leine. Petronius fuhr zusammen und begann, an der Leine zu ziehen. Ödeschär räusperte sich. „So geht es besser“, sagte sie und drehte an der Winde. Plötzlich ruckte es an einer weiteren Leine. Ein Decksmädchen kam gerannt. Petronius starrte fasziniert auf die Wellen. Dann tauchte einer auf, der Rachen zuerst. Ein silberglänzender Fisch mit einem Stachel auf dem Rücken, im Maul drei Reihen Zähne. Er zappelte. Petronius tat der Fisch leid; er hielt sich die

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