Die Toechter Egalias
Hände vor die Augen, mußte dann aber doch hinsehen. Ihm wurde etwas übel. Ödeschär zog den Speerbeißer mit elegantem Schwung hoch. Er lag auf Deck, machte mit dem Schwanz einige Schläge und einen Sprung mit dem ganzen Körper. Sie nahm noch einen Speer und stach ihm in die Seite. Der Fisch zappelte noch immer. Die großen Augen waren gläsern und blutunterlaufen. Sie standen hervor und starrten Petronius anklagend und unglücklich an. Ein Decksmädchen versuchte, den Speerbeißer am Schwanz zu packen. Der zuckte wild und glitschte mehrere Meter weg. „Der lebt ja noch!“ rief Petronius.
„Das sind die letzten Zuckungen“, sagte Ödeschär. Aber Petronius konnte jetzt noch das Herz schlagen sehen. „Sind Herzschläge auch Zuckungen?“
„Du fragst und fragst...“ Das Decksmädchen packte ihn erneut am Schwanz und versuchte, den Speer aus dem Fischleib herauszuwinden. Der Speerbeißer schnappte nach ihrer Hand. Ein zweites Decksmädchen sprang hinzu und kriegte den Speer ab, als der Fisch einen heftigen Satz zur Reling machte. Jetzt waren die beiden neben ihm. Sie fingen ihn fast in der Luft auf und warfen ihn endlich in eine große Luke im Deck. „Dort unten wird er sofort ausgenommen und dann auf Eis gelegt.“ Petronius überlegte, ob das Herz noch immer schlug, wenn es herausgenommen war und in Vaters Kochtopf lag.
Jetzt zuckte es an allen Leinen. Die zwölf Decksmädchen hatten alle Hände voll zu tun. Sie arbeiteten in kurzen Hosen und mit nacktem Oberkörper. Petronius schaute auf ihre prächtigen Brüste. Sie bewegten sich geschmeidig im Gleichtakt mit ihren Muskeln.
„Hier, jetzt kannst du es ja mal versuchen!“ Ödeschär gab ihm die Leine. Sie war schwerer, als er geglaubt hatte. Als Petronius die Leine anzog, tauchte der Rachen des Speerbeißers aus den Fluten empor, er kam direkt auf ihn zu und schnappte wie nach Luft. Der Fisch schlug um sich und kämpfte um sein Leben; um ihn herum schäumte das Wasser auf.
Petronius warf einen kurzen, unsicheren Blick auf Lis Ödeschär. Sie stand breitbeinig da, die Hände auf dem Rücken, sah ihn an und nickte. Er mußte ihn also allein über Bord holen, genau wie sie. Mußte ihn mit elegantem Schwung über die Reling ziehen. Petronius zerrte kräftig an der Leine. Plötzlich flog er hintüber und fiel hin, ohne zu begreifen, was geschehen war.
„Nein, o nein!“ rief Lis Ödeschär verzweifelt. Der bloße Speer schlenkerte gegen die Schiffswand, während der Speerbeißer, eine Blutspur hinter sich lassend, im Wasser verschwand. Petronius war außer sich. „Was wird jetzt aus dem?“ frage er bestürzt.
„Tja, hier ist uns ein Prachtstück durch die Lappen gegangen, und du fragst nur, was aus dem wird“, antwortete Ödeschär gutmütig. „Entschuldigung“, murmelte Petronius. Er fühlte sich unbeholfen und dumm. Innerlich war er wütend. Um es sich nicht anmerken zu lassen, lächelte er Ödeschär zaghaft an. Er zitterte am ganzen Körper. Aber Ödeschär ging darüber hinweg. „So etwas kann auch der Besten passieren, Kleiner.“ Ödeschär hatte natürlich gewußt, daß es so kommen würde. Um einen Speerbeißer aus dem Wasser zu kriegen, war ein langes und ausdauerndes Training nötig. Alle Anfängerinnen machten solche Fehler. Doch Ödeschär wollte Petronius glauben machen, er könne diesen Beruf nicht ausüben. Denn sie war der Meinung, daß Knaben nie fähig sein würden, das zu erlernen, da sie sich zu langsam und ungeschickt bewegten. Auf jeden Fall sei es besser, ihnen das in der Praxis zu beweisen und es nicht einfach nur zu behaupten. Für Lis Ödeschär war und blieb die Fischerei nämlich ein Frauenberuf. Das machte schließlich ihren Reiz aus.
„Glaubst du, er stirbt?“
„Was?“
„Glaubst du, der Speerbeißer stirbt?“
Petronius muß wohl immerzu an den armen Fisch denken, der nun verletzt umherschwimmt und für den es kein Krankenhaus gibt, dachte Lis Ödeschär gerührt. „Das ist schwer zu sagen. Die können mit so einer Wunde im Rachen lange leben.“
„Jetzt fangen wir wohl keine mehr“, meinte Petronius, „die anderen werden das Blut sehen und sich verziehen.“
„Keine Spur! Die schwimmen viel zu tief, die merken nicht einmal was davon.“
„Vielleicht schwimmt er nach unten und erzählt es ihnen.“
„I wo! Die verstecken sich, wenn sie verletzt sind. Das machen sie immer.“
Kurz darauf kam eine Taucherin hoch, dann eine zweite, und schließlich hingen alle am Schiff. „Was Luzia noch mal
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