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Die Toechter Egalias

Die Toechter Egalias

Titel: Die Toechter Egalias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Brantenberg
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ist denn passiert? Auf einmal sind alle abgezogen. Dort unten war ein riesiger Schwarm. Wir hätten sie wie am Fließband fangen können.“
    „Du hattest also recht, Petronius. Typisch männliche Intuition“, nickte Ödeschär.
    „Aber warum hauen die denn nicht sofort ab, wenn ihr kommt?“ fragte Petronius verwirrt.
    „Die glauben zuerst, wir geben ihnen was zu fressen. Wir...“
    „Ach, hör doch auf! Was ist denn passiert?“ platzte eine Taucherin heraus.
    „Einer ist uns entwischt“, erklärte Ödeschär.
    „Hast du es den Knaben mal versuchen lassen?“
    „Das habe ich ja die ganze Zeit gesagt. Männer sollten da nicht rangelassen werden. Das ist nur was für Frauen.“ Die Taucherinnen redeten durcheinander, schnaubten das Wasser durch die Nase aus und schüttelten sich. Petronius wäre vor Scham am liebsten unter Deck versunken. Er wollte zwar noch mehr wissen, wagte aber nicht, weiter zu fragen. Er hatte ihnen alles verdorben, und sie waren wütend auf ihn.
    „Wir werden wohl an der Nordseite weitermachen müssen“, entschied Ödeschär, und die Taucherinnen kletterten an Bord. Die zuletzt hochgekommene Taucherin stellte sich neben Petronius. Er sah sie unsicher an und versuchte, ein wenig zu lächeln. Vielleicht wollte sie ihn auch ausschimpfen. Die Taucherin sah im direkt ins Gesicht. Dann nahm sie die Maske ab. Petronius wurde ganz schwummerig zumute. Es war Gro. Der Wellengang, der blutige Speerbeißer, die anzüglichen Bemerkungen und Gros Gesicht schwirrten ihm durch den Kopf. Er mußte sich an den Mast lehnen, um nicht zu fallen. Für einen Moment blieb sie so stehen und durchbohrte ihn mit ihrem Blick. Dann ging sie weiter. Die Anders Lovindus segelte um die Insel und ankerte vor der Nordküste. Dort fischten sie ohne großen Erfolg. Gro arbeitete jetzt auf Deck. Er sah, wie sie den Fischen den Bauch aufschlitzte, in den Eingeweiden herumwühlte und wie das Blut floß. Er mußte immer wieder zu ihr hinsehen. Sie arbeitete schnell und sicher. Petronius wollte das auch können. So sein wie sie. Plötzlich schnitt sie einem Speerbeißer einen Zahn ab, stand auf und ging auf ihn zu.
    „Hier“, sagte sie, „ein Souvenir.“ Es war ein Sägezahn. Petronius stand mit dem Sägezahn in der Hand da, schaute auf den Zahn, dann zu Gro, dann wieder auf den Zahn und wieder auf Gro. „Vielen Dank!“
    „Du bekommst den, weil du immer so nett lächelst.“ Dann schlitzte sie weiter Fischbäuche auf.
    Abends sollte ein Fest sein. Petronius freute sich darauf und zog sich das hübsche rote Hemd an. Darüber trug er eine gelbe, enge Seidenbluse mit kleinen, kurzen Puffärmeln. Er erregte Aufsehen, als er in Ödeschärs Salon kam. Zwischen all den schwarz und grau gekleideten Frauen war er wirklich eine Augenweide. Ihre eigenen Vorbereitungen für das Fest hatten lediglich darin bestanden, sich zu waschen. Die Seefrauen kamen sich ein wenig grobschlächtig und ungehobelt vor und versuchten, das wettzumachen, indem sie ihm einen Stuhl zurechtrückten, fragten, was er trinken wolle, sich nach seiner Lieblingsmelodie erkundigten, ihm Zigarillos anboten und Feuer gaben, den Aschenbecher holten, ihn fragten, wie es ihm auf See gefalle, und ihm Komplimente zu seinen Zöpfen machten. Noch nie in seinem Leben war Petronius soviel Aufmerksamkeit zuteil geworden. Für einen Augenblick hatte er das Gefühl, der schönste Mann auf der Welt zu sein.
    „Schenkst du mir den ersten Tanz?“ fragte eine Taucherin. Es war die, die als erste wieder aufgetaucht war und Petronius wegen seines Mißgeschicks ausgeschimpft hatte. Sie hieß Liv.
    „Nein, der ist meiner“, sage Mona, das Decksmädchen.
    „Nein, meiner — denn ich habe vor euch allen gefragt“, meldete sich Gro zu Wort.
    „Na, na, na, na. Ich glaube, der gehört wohl mir“, brummte Lis Ödeschär, faßte Petronius graziös unter den Arm und drehte mit ihm einen rasanten Seefrauenwalzer. Die anderen stellten sich um die beiden herum, klatschten im Takt und stimmten ein Lied an:
    Eine Seefrau schaukelt auf den Wellen der See —
    Hojahee
    Sie bricht jede Woge, wie groß sie auch sei —
    Hojahee
    Durch Stürme und Winde
    Segelt sie zum Geliebten geschwinde —
    Hojahee.
    Die Stimmung wurde immer ausgelassener. Die Seefrauen prosteten sich zu und legten immer neue Platten auf. Petronius war ganz schön in Fahrt. Dann ertönte ein Gong, und die Köchin marschierte mit zehn großen Schüsseln Speerbeißerragout herein. Die Frauen, nach den Anstrengungen des

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