Die tödliche Bedrohung
Kann sein, dass es hier draußen wirklich schön ist, überlegte sie. Vielleicht war es sogar großartig mit den zerklüfteten, schneebedeckten Berggipfeln und den dicht bewaldeten Abhängen. Aber es war auch kalt und einsam.
Alles, was sie noch zu essen hatten, war eine Handvoll Nüsse, und weit und breit war kein Café in Sicht.
Sie war zu ungeduldig, um zu warten, bis das Wasser kochte. Als es so heiß war, dass sie den Finger nicht mehr hineinstecken konnte, schüttete sie eine großzügig bemessene Portion Pulverkaffee hinein. Bei dem Kaffeeduft, der aus dem Topf aufstieg, lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
„Was für ein erhebender Anblick.“ Colt, der vor dem Zelt stand, beobachtete sie. „Eine schöne Frau, die sich über ein Lagerfeuer beugt. Und du hast wirklich eine wunderschöne Art, dich vorzubeugen, Thea.“
„Halt die Klappe, Nightshade.“
Er schlenderte grinsend auf sie zu. „Bist du morgens vor deiner ersten Tasse Kaffee immer so grantig, Darling?“
Sie schlug seine Hand weg, die sich anschickte, mit ihrem Haar zu spielen. Er versuchte schon wieder, sie um den kleinen Finger zu wickeln, und das musste auf der Stelle aufhören. „Hier ist Frühstück.“ Sie schob ihm die Dose mit den Nüssen hin. „Kaffee kannst du einschenken.“
Folgsam hockte er sich hin und verteilte die schwarze Brühe auf zwei Tassen. „Ein schöner Tag“, sagte er in verbindlichem Ton. „Fast windstill, gute Sicht.“
„Ja, toll.“ Sie nahm die Tasse entgegen, die er ihr hinhielt. „Gott, für eine Zahnbürste wäre ich im Moment sogar bereit zu töten.“
„Diesem Notstand kann ich leider nicht abhelfen.“ Er trank einen Schluck von seinem Kaffee, verzog angewidert das Gesicht. Giftiger Klärschlamm, entschied er, aber immerhin wurde man davon richtig wach. „Aber es wird nicht mehr lange dauern, bis wir wieder in der Zivilisation sind. Dann kannst du dir die Zähne putzen, ein schönes heißes Bad nehmen und dich eingehend der Haarpflege widmen.“
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu und sagte: „Kein Wort über meine Haare.“ Dann stellte sie ihren Kaffeebecher ab, kniete sich hin und begann in ihrer Handtasche herumzukramen. Nachdem sie ihre Haarbürste gefunden hatte, setzte sie sich im Schneidersitz mit dem Rücken zu Colt auf den Boden und begann sich vehement die Haare zu bürsten.
„Gib her.“ Er setzte sich hinter sie und zog sie zwischen seine angewinkelten Beine. „Ich bürste sie dir.“
„Das kann ich selbst.“
„Wenn du so weitermachst, wird du irgendwann kahl sein.“ Nach einem kurzen Gerangel nahm er ihr die Bürste weg. „Du solltest sorgfältiger damit umgehen“, murmelte er, während er anfing, behutsam die kleinen Knötchen herauszubürsten. „Du hast das schönste Haar, das ich je gesehen habe. Aus der Nähe kann man hundert verschiedene Farbtöne von Rot und Gold und Rost sehen.“
„Es sind einfach nur Haare.“ Doch wenn Althea überhaupt in irgendeinem Punkt eitel war, dann hatte Colt jetzt den Finger darauf gelegt. Und die sanften Bürstenstriche fühlten sich so wundervoll an, dass sie nicht widerstehen konnte, genüsslich aufzuseufzen, während er bürstete und anhob, streichelte und glättete. Auch wenn sie im Moment mitten im Nirgendwo waren, schwelgte Althea im Luxus.
„Da, sieh mal“, flüsterte Colt ihr ins Ohr. „Dort drüben.“
Als Althea den Kopf wandte, sah sie am Waldrand einen Hirsch stehen. Nein, es war kein Hirsch, wie sie gleich darauf erkannte. So riesige Hirsche gab es nicht. Seine breiten Schultern waren fast mannshoch. Jetzt hob er witternd den mit einem gewaltigen Geweih bewehrten Kopf.
„Das ist … ein …“
„Ein Wapiti“, sagte Colt leise, während er ihr freundschaftlich seine Arme um die Taille legte. „Ein amerikanischer Hirsch. Ein Prachtexemplar.“
„Groß. Riesengroß ist er.“
„Er wiegt wahrscheinlich an die siebenhundert Pfund. Da, jetzt hat er uns gewittert.“
Altheas Herz tat einen kleinen Sprung, als der Hirsch seinen wunderschönen Kopf drehte und sie ansah. Er wirkte hochmütig und weise zugleich, während er die Menschen betrachtete, die in sein Territorium eingedrungen waren.
Und dann verspürte sie ganz plötzlich aus Ehrfurcht vor der Schönheit des Lebens ein Brennen im Hals, ein inneres Beben, eine Art Wunder. Einen Moment lang verharrten alle drei, sich gegenseitig messend, während eine Lerche eine herzzerreißend schöne Melodie trällerte.
Gleich darauf drehte sich der Hirsch um
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