Die tödliche Bedrohung
Handgelenken. „So, jetzt hörst du zur Abwechslung mal mir zu.“ Seine Finger gruben sich so tief in ihr Fleisch, dass es ihr eigentlich hätte wehtun müssen, aber die Wut in seinen Augen verhinderte, dass sie etwas fühlte. „Ich kann sehr gut zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden, Althea. Ich habe in meinem Leben genug erlebt, um zu wissen, wie grausam die Wirklichkeit sein kann. Ich kenne dieses Mädchen. Ich habe sie schon als Baby im Arm gehalten, und ich bin wild entschlossen, ihr Wohlergehen nicht in die Hände irgendwelcher Bürokraten zu legen.“
„Colt …“
„Vergiss, was du sagen wollest.“ Er schob sie beiseite. „Ich bitte dich nicht, mir zu helfen, weil ich mir alle Mühe gebe, für deine Idee von Recht und Ordnung Respekt aufzubringen. Aber das wird mich nicht daran hindern, selbst nach ihr zu suchen, Thea, und zwar jetzt sofort.“
„Warte.“
Sie hielt eine Hand hoch, dann fuhr sie sich damit durchs Haar. „Lass mich kurz nachdenken.“
„Du denkst viel zu viel.“ Doch als er Anstalten machte aufzustehen, drückte sie ihn wieder in den Sitz.
„Ich habe gesagt, du sollst warten.“ Dann legte sie den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und überlegte.
„Wie weit ist es bis zu dem Haus?“, fragte sie nach einem Moment. „Eine halbe Meile?“
„Eher eine dreiviertel.“
„Die Straßen sind alle frei.“
„Ja.“ Seine Ungeduld war ihm deutlich anzumerken. „Und?“
„Es würde sich besser machen, wenn ich in einer Schneeverwehung stecken geblieben wäre. Aber eine Autopanne geht auch.“
„Wovon redest du?“
„Ich rede davon, mit dir zu kooperieren.“ Sie öffnete ihre Augen und nagelte ihn mit Blicken fest. „Es gefällt dir nicht, wie ich arbeite, und mir gefällt nicht, wie du arbeitest. Deshalb werden wir uns wohl in der Mitte treffen müssen. Ich werde bei der örtlichen Polizei Verstärkung anfordern und sie bitten, sich mit Boyd in Verbindung zu setzen. Vielleicht kann er sich ja um den Durchsuchungsbefehl kümmern.“
„Ich habe doch gesagt …“
„Es ist mir egal, was du gesagt hast“, sagte sie ruhig. „So wird es gehen. Wir können da nicht einfach reinplatzen. Erstens, weil wir uns im Haus geirrt haben können. Und zweitens“, fuhr sie, ihm erneut mit einer Handbewegung das Wort abschneidend, fort, „würde dadurch die Gefahr für Liz noch größer, falls sie wirklich dort ist. Und drittens könnten diese Dreckskerle womöglich ungeschoren davonkommen, wenn wir uns nicht an gewisse Spielregeln halten, und das will ich nicht. Also hör zu …“
Es schmeckte ihm nicht. Es war unerheblich, wie vernünftig es war oder wie gut der Plan war, den sie sich ausgedacht hatte. Aber während des langen Fußmarsches zu dem Haus widerlegte sie alle seine Gegenargumente durch schlichte Logik.
Sie würde reingehen.
„Wie kommst du darauf, dass sie dich reinlassen könnten, nur weil du darum bittest?“
Sie legte den Kopf schräg und schaute ihn von unten herauf an. „An dich habe ich meinen Charme bisher noch nicht verschwendet, Nightshade, aber ich habe trotzdem eine ganz erstaunliche Menge davon auf Lager.“ Um mit ihm mitzukommen, musste sie längere Schritte machen. „Was glaubst du wohl, was die meisten Männer tun, wenn eine schwache Frau an ihre Tür klopft und um Hilfe bittet, weil sie eine Autopanne hat und weil …“, sie erschauerte geziert und senkte ihre Stimme so, dass sie nur noch ein Schnurren war, “… es draußen so schrecklich kalt ist.“
Er stieß einen lauten Fluch aus und schaute seinem Atem nach, der in einer weißen Wolke aus seinem Mund kam. „Und was ist, wenn sie dir anbieten, dich zu deinem Auto zurückzufahren und es zu reparieren?“
„Nun, dann würde ich schrecklich dankbar sein. Und ich werde sie lange genug hinhalten, damit getan werden kann, was getan werden muss.“
„Und wenn sie unangenehm werden?“
„Dann werden wir ihnen wohl einen Tritt in den Hintern geben müssen.“
Darauf freute er sich schon jetzt. Und dennoch … „Ich denke trotzdem immer noch, dass ich mit dir reingehen sollte.“
„Sie werden aber ganz bestimmt nicht so viel Mitgefühl haben, wenn die kleine schwache Frau mit einem großen starken Mann ankommt.“ Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. „Mit ein bisschen Glück sind die örtlichen Kollegen da, bevor es zu unangenehm wird.“ Sie blieb stehen und schaute auf das Haus. „Wir sind schon ziemlich nah dran. Womöglich macht ja einer von ihnen einen
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