Die tödliche Heirat
Doctor Donnath, der Polizeiarzt, fluchte, als ihn ein Polizeibeamter aus dem Bett schellte und ein Einsatzwagen ihn in die Nacht entführte, hinaus zum dunklen, drohend erscheinenden East River.
10
Eine Stunde nach Pesk trafen auch Murrey und Corner mit Bennols am Fundort der Leiche ein. Der lange Bennols machte das Gesicht eines zum Tode Verurteilten. In den letzten Nächten war er kaum ins Bett gekommen, und so empfand er eine tiefe Sehnsucht, sich einfach irgendwo hinzulegen und zu schlafen. Er betrachtete den Toten mit einem bösen Blick und gähnte dann.
»Wenn man den Mördern doch angewöhnen könnte, nicht immer nachts die Menschheit zu dezimieren«, seufzte er. »Wie schön wäre ein Mord bei Sonnenschein.«
»Lassen Sie Ihre dummen Bemerkungen, Stewart«, knurrte Murrey und sah Corner zu, der den Toten genau untersuchte, nachdem die Fotografen die Bildfläche verlassen hatten.
»Das alte Lied, was? Keine Papiere, Etiketten herausgetrennt …«
»Diesmal nicht. Er hat alles bei sich. Brieftasche, Geldbörse … Demnach muß es sich um den 41 Jahre alten Gemüsehändler Mario Bertolli handeln. Amerikanischer Staatsbürger, wohnhaft in Queens 33. Ditmars-Boulevard. Zur Abwechslung hat man ihn von hinten mit einem Nylonstrumpf erdrosselt!«
»Mit einem Nylonstrumpf?!« Murrey verzog sein Gesicht. »Wie können Sie das wissen?«
»Er hat sich gewehrt und dabei den Strumpf zerfetzt. Unter seinen Fingernägeln befinden sich kleine Fasern des Strumpfes. Wir werden das nachher im Laboratorium genau untersuchen. Dann wissen wir mehr.«
Corner erhob sich aus seiner knienden Haltung und gab den Toten für Doctor Donnath frei, der nach einer kurzen Untersuchung Corners Worte bestätigte.
»Erwürgt. Einwandfrei! Nach kurzem Kampf. Dem Gesichtsausdruck nach kam der Überfall plötzlich und unerwartet. Er wurde ermordet und glaubte nicht daran.«
Doctor Donnath schob die Unterlippe vor und sah Murrey und Corner eine Weile schweigend an.
»Wenn das alles nicht so bestialisch und grausam wäre, würde ich sagen: Der Täter ist eine Frau!«
Chief Inspector Murrey winkte ab. »Das ist doch unmöglich!«
Während die Leiche auf eine Bahre gelegt und in den Ambulanzwagen geschoben wurde, lehnte Corner an dem Kotflügel seines Wagens und rauchte eine Zigarette.
»Rekonstruieren wir einmal den Fall, Chief«, sagte er ruhig. »Ein Mann aus Queens wird an der Flushing Bay gefunden. Was tat er dort? Bestimmt wollte er sich nicht den East River bei Nacht ansehen. Man hatte ihn dorthin bestellt. Hier am Wasser hatte er ein Rendezvous! Eine Frau erwartete ihn, sie sprachen miteinander, sie tauschten sogar Zärtlichkeiten aus … es scheint mir fast, als habe die Frau bei diesen Zärtlichkeiten ihre Strümpfe ausgezogen, vielleicht um sie nicht zu zerreißen! Romantisch so etwas! Schäferstündchen an der Flushing Bay. Und während der liebestrunkene Mario Bertolli noch von der Liebe schwärmt, kommt sie plötzlich von hinten und legt ihm einen zusammengerollten Nylonstrumpf um den Hals. Er empfindet das als Scherz, als einen Reiz vielleicht, er lacht und greift nach den Strümpfen. Sie aber zieht kalt und ungerührt weiter zu, bis er in seiner Todesangst die Strümpfe zerreißt. Aber da ist es schon zu spät. Noch ein kräftiger Zug. Er bekommt keine Luft mehr, wird bewußtlos – sie zieht weiter zu und erwürgt ihn. Das ist auch für eine Frau ganz einfach. Man benötigt nicht übermäßig viel Kraft dazu. Die Festigkeit des Nylons hilft dabei sehr.«
Corner warf die ausgerauchte Zigarette fort.
»So kann es gewesen sein.«
Murrey spürte, wie er trotz der kühlen Mainacht zu schwitzen begann.
»Eine Frau«, sagte er leise.
»Das wäre meines Wissens die erste Frau in den USA, die innerhalb einer Woche drei Männer auf dreierlei Arten umbringt!«
Bennols steckte sein Notizbuch ein und gähnte wieder. »Und ein Zeichen fortschreitender Zivilisation: Gleichberechtigung der Frau! Warum soll es die nicht auch in der Kriminalität geben …?«
Stumm und wütend wandte sich Murrey ab und stapfte zu seinem Wagen zurück.
11
Corner erhielt wenige Stunden später einen der wichtigsten Hinweise. Der Gemüsehändler Bertolli war bekannt, sogar dem zuständigen Polizeirevier, weil er einmal unverzollte Waren verkauft hatte. Er wurde als ein freundlicher Mann geschildert, unverheiratet, aber mit der Absicht, sich bald zu verehelichen. Sein Kompagnon wurde noch in der Nacht von der Polizei aus dem Bett geholt und zu Corner
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