Die tödliche Heirat
hierherfuhr.«
Corner trat zu der großen Karte von New York, die an der Wand hing. Er legte den Finger auf einen grünen Fleck inmitten des Straßengewirrs.
»Hier ist der Treffpunkt. Ich werde allein hingehen!«
Murrey sprang auf. »Allein? Ohne das Gebiet abzuriegeln?«
Corner nickte. »Wir haben es mit einem außergewöhnlichen Mörder zu tun. Jede vorbereitete Polizeiaktion würde er merken. Ich werde diesen Mörder oder die Mörderin nur sehen, wenn ich als Mario di Cardone komme; allein, vertrauensselig, voller Erwartung der Dame, die ich ja eventuell zu heiraten gedenke. Ein wenig dumm muß ich auch sein, denn ein nüchtern denkender Mensch findet es sicher merkwürdig, daß sich eine hübsche Dame abends mit einem fremden Mann in einem Auto am Rande eines Parks trifft.«
»Und ich?« Bennols sah Corner traurig an. »Soll ich zu Hause hocken und Angst haben, daß dabei was schiefgeht? Nehmen Sie mich mit, Chef.«
»Auch ich bin dafür, daß Sie wenigstens Bennols in Ihrer Nähe lassen«, unterstützte Murrey den Lieutenant. »Wenn er in Sichtweite in einem Auto sitzt, wird die Dame keinen Verdacht schöpfen. Ein einzelner Beobachter fällt nicht auf.«
»Einverstanden« stimmte Corner nach kurzem Zögern zu. »Aber Stewart, Sie müssen mir versprechen, erst einzugreifen, wenn ich pfeife, oder wenn Sie einen Schuß hören.«
»Dann kann es aber schon zu spät sein«, gab Bennols zu bedenken.
Inspector Corner lächelte und legte dem Lieutenant die Hand auf die Schulter.
»Unkraut vergeht nicht, Stewart. Und warum sollte die Mörderin den guten Mario di Cardone sofort umlegen? Sie will doch an sein Geld! Die Dame – falls sie überhaupt die Täterin ist – wird sich erst mit mir unterhalten müssen; und das letzte Wort spreche dann ich!«
»Ihr Wort in Gottes Ohr, Inspector«, murrte Murrey und kaute wieder an einer Zigarre herum. »Ich darf gar nicht daran denken, was für Schlagzeilen es geben wird, wenn die Sache schiefgeht. Und ich weiß auch gar nicht, warum ich überhaupt meine Zustimmung gebe. Wahrscheinlich nur, weil sich wieder einmal erwiesen hat, daß Sie eine fabelhafte Kenntnis von der Psychologie eines Mörders haben.«
21
Murrey, Corner und Bennols saßen noch diskutierend zusammen, als sie die Meldung von einem weiteren Mord erreichte.
In einer verlassenen Ruine, in einer der übelsten Ecken von Harlem, hatten spielende Negerkinder die schon in Verwesung übergegangene Leiche eines Mannes gefunden.
Sofort lief der gesamte Polizeiapparat wieder auf vollen Touren. Corner und der um seinen Schlaf jammernde Bennols fuhren sofort nach Harlem. Im Präsidium ließen sie einen trübe vor sich hinstarrenden Murrey zurück.
Es zeigte sich, daß zwar die Brieftasche des Opfers fehlte und auch sonst alle Identitätsmerkmale sorgfältig beseitigt worden waren, aber Bennols fand einen Kugelschreiber in der Jacke, dessen stumpfes Ende sich aufklappen ließ und auf diese Weise einen Stempel freigab. Die Mörder hatten diese Konstruktion wohl übersehen. Die auf dem Stempel wiedergegebene Anschrift wies den Ermordeten als Stanley White aus, wohnend in St. Georg, Staten Island.
Obwohl aufgrund dieses Fundes die polizeilichen Ermittlungen sehr erleichtert wurden, konnten Corner und Bennols auch erst am Mittag des nächsten Tages Murrey alle Ergebnisse vortragen.
»Es handelt sich praktisch um einen alten Mord, Sir. Deshalb konnte der Mann auch nicht gewarnt werden, nachdem wir alle Kandidaten, deren Chiffrebriefe noch in den Anzeigenabteilungen lagen, registriert hatten.«
»Was heißt hier ›alter‹ Mord, Corner? Soll das etwa eine Entschuldigung sein?«
»Keineswegs, Sir. Ich will damit nur sagen, daß White sich sofort auf die Anzeige meldete, als sie am 19. Mai erschien. Er muß sich am 26. Mai mit der Dame, die ja auch ich bald sehen werde, getroffen haben. Denn am 27. Mai, so sagen jedenfalls die Pathologen, ist er ermordet worden.«
»Ich habe in seiner Wohnung nachgesehen«, meldete sich Bennols. »Dort fand ich diese Kopie. Es ist der Durchschlag eines Schreibens, das Sie gewissermaßen als Bewerbung Whites beim Institut ›Die Ehe‹ auffassen können. Sie sehen, White bezieht sich dabei ausdrücklich auf die Anzeige vom 19. Mai. White hat es eilig gehabt mit seinen Heiratsplänen. Noch an dem Tage, an dem er die Anzeige las, meldete er sich als Kandidat. Jedenfalls ist als Briefdatum der 19. Mai angeführt.«
Bennols wollte Murrey das dünne Papier überreichen. Doch dieser
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