Die tödliche Heirat
ist offen«, stellte Corner fest. Er zog die dicke Stahltür völlig auf und blickte hinein. »Und leer ist er auch. Nein, halt! Hier in der Ecke liegt ein Notenbündel.«
In diesem Augenblick splitterte die Scheibe des großen Fensters. Corner, der sich gerade Bennols zuwenden wollte, erhielt einen Schlag in die linke Schulter, ließ sich instinktiv vom Stuhl fallen und warf sich auf den Bettvorleger. Bennols und der Sergeant schienen den Bruchteil einer Sekunde zunächst nicht zu begreifen, was geschehen war – aber da erkannten sie die tödliche Gefahr und schmissen sich neben Corner auf den Boden.
»Ist etwas, Chef?« schrie Bennols.
Er kroch zu dem Inspector hin und sah, daß aus dessen Schulter Blut tropfte.
Corner verzog sein Gesicht.
»Ein Schuß in die linke Schulter. Zu hoch … Der Schütze hatte gedacht, mich ins Herz zu treffen. Jetzt weiß ich auch, warum das Geld im Safe lag. Ich bildete dort eine gute Zielscheibe.«
Noch auf dem Boden liegend, zog Corner mit Bennols' Hilfe seine Jacke aus und knöpfte sich das Hemd auf. Es war glücklicherweise nur ein Streifschuß. Aber er blutete stark.
»Streifschuß, Chef«, stellte Bennols sachlich fest. »Sie müssen sofort ins Krankenhaus.«
Corner ging auf diese Mahnung nicht ein. »Löschen Sie das Licht«, sagte er zu dem Lieutenant. Dann stützte er sich mit der rechten Hand auf und lugte über den Bettrand zu dem zerschossenen Fenster.
Die Gardine flatterte im Wind, der von draußen hereinwehte. Dahinter lag die Straße, still, verlassen … Ab und zu fuhr ein Wagen vorbei.
Corner, der inzwischen auch sein Hemd ausgezogen hatte und es zu einem Bündel geknüllt vor die Wunde hielt, richtete sich unter Schmerzen auf, trat an das Fenster und blickte vorsichtig hinaus. Da Carltons Wohnung im Erdgeschoß lag, bereitete es keine Schwierigkeiten, von der Straße aus hineinzuschießen, zumal die Übergardinen nicht vor das Fenster gezogen waren und deshalb derjenige, der vor dem Safe stand, eine fast nicht zu verfehlende Zielscheibe gab.
»Sie hat in einem Wagen gesessen und mit einer Schalldämpferpistole in aller Ruhe geschossen. Ehe wir uns von der Überraschung erholen konnten, war sie schon wieder auf und davon. Ein kaltblütiges Mädchen, Bennols! Ganz, wie ich sie einschätzte, nachdem sie mich im Park ohne zu zögern überfahren wollte – aber jetzt holen Sie mir doch einmal das Geld aus dem Safe.«
Bennols tat, wie ihm geheißen, und reichte Corner das Bündel.
»Wenn Sie es zählen, werden es genau 5.000 Dollar sein.«
»5.000 Dollar?« Bennols war verblüfft. »Sie meinen, Chef, es sind die 5.000 Dollar, die Scoulder abgenommen wurden?«
»Ich bin sicher. – Na, zählen Sie.«
Corner brauchte nicht lange zu warten, um die Bestätigung seiner Kombinationsgabe zu erfahren. Bennols hatte die fünfzig Scheine schnell überprüft.
»Immerhin tröstlich zu wissen, daß ich dem Mörder 5.000 Dollar wert bin«, meinte Corner sarkastisch.
»Es ist eine Mörderin, Chef«, korrigierte Bennols.
»Ja, es scheint alles darauf hinzuweisen. Die Fußabdrücke auf dem Nachttisch, die verbrannten Schuhe im Kamin, und gerade das nährt meine Zweifel. Die Spuren sind mir zu deutlich. Sie wirken wie gelegt. Sie weisen zu direkt in eine Richtung …«
Ein plötzlicher Gedanke schien in ihm aufzukommen. »Bennols, lassen Sie sich die Nummer von Scoulder geben und verbinden Sie mich mit ihm.«
Bennols ging hinüber ins Arbeitszimmer. Schnell hatte er den gewünschten Anschluß und rief Corner.
»Mr. Scoulder? – Es wird Sie interessieren, daß Ihre 5.000 Dollar wieder aufgetaucht sind. – Ja, wir haben sie hier in der Wohnung eines ermordeten Geldverleihers gefunden. – Mr. Scoulder, wo waren Sie in der letzten Stunde? – Sie haben sich sofort ins Bett gelegt?! Ein kluger Gedanke. – Ihre Hauswirtin hat sich um Sie gekümmert? – Nein, wir brauchen sie nicht als Zeugin. – Mr. Bennols wird Ihnen die 5.000 Dollar aushändigen, wenn er Ihnen das Protokoll zur Unterschrift vorlegt. Ich hoffe, Sie können schlafen. Gute Nacht!«
Mit einem hörbaren Seufzer legte Corner auf.
»Es paßt alles zu sehr zusammen, Bennols. Da hinterläßt eine Mörderin nicht zu übersehende Spuren, und dort hat ein Beraubter, dessen 5.000 Dollar in der Wohnung eines Ermordeten auftauchen, ein – wie bestelltes – Alibi.«
Statt einer Antwort wies Bennols auf das Hemd, das Corner noch immer auf die Wunde gepreßt hielt und das inzwischen völlig durchblutet war.
Weitere Kostenlose Bücher