Die Tore Der Finsternis
auf die Klinke, während sie sich zum Gehen wandte. Rebus sah ihr nach, und als er die Tür öffnete, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Auf Andrea Thomsons Stuhl saß die Person, die er hatte treffen wollen. Rebus trat ein und schloss rasch die Tür.
»Sehr schlau«, sagte er anerkennend. »Wie viel weiß sie?«
»Andrea wird den Mund halten«, sagte der Mann. Dann streckte er Rebus die Hand zur Begrüßung entgegen. »Wie ist es Ihnen ergangen, John?«
»Gut, Sir«, sagte er und nahm gegenüber dem Chief Constable Sir David Strathern, seinem Polizeipräsidenten, Platz.
»Also dann«, begann Strathern und lehnte sich zurück, »was gibt es für Probleme, John?«
Ihr erstes Treffen lag etwas mehr als zwei Wochen zurück. Rebus hatte in St. Leonard’s an seinem Schreibtisch gesessen, als er einen Anruf aus dem Big House erhielt - man bat ihn, hinüber ins Restaurant »Blonde« zu gehen.
»Wozu?«, hatte er gefragt.
»Das werden Sie schon sehen.«
Aber als Rebus die Straße überqueren wollte, hörte er jemanden hupen. Der Wagen parkte an der Ecke St. Leonard’s und Rankeillor Street, und eine Hand winkte durch das Fahrerfenster. Er erkannte den Mann hinter dem Steuer
auch ohne seine übliche Uniform sofort. Es war Sir David Strathern. Die beiden waren sich bisher nur bei offiziellen Anlässen begegnet, und auch das eher selten. Rebus war kein großer Freund von Wohltätigkeitsdinners und Promi-Boxabenden. Und ihm war auch noch nie eine Auszeichnung für Tapferkeit oder vorbildliches Betragen verliehen worden. Aber egal, Sir David schien ihn jedenfalls zu kennen.
Das Auto, ein schwarzer, glänzender Rover, war mit ziemlicher Sicherheit kein Dienstwagen, sondern der Privatwagen des Chief Constable. Vor dem Beifahrersitz lag ein Fensterleder auf dem Boden, auf dem Rücksitz ein Stapel Zeitschriften und eine Einkaufstasche. Rebus stieg ein, und der Wagen fuhr los.
»Entschuldigen Sie die kleine List«, sagte Strathern mit einem Lächeln, das die Falten um seine Augen tiefer erscheinen ließ. Er war ungefähr Ende fünfzig, nicht sehr viel älter als Rebus. Aber er war der Boss, der Präsident, der Häuptling. Und Rebus wusste immer noch nicht, was zum Teufel er von ihm wollte. Strathern hatte eine bequeme graue Freizeithose und einen dunklen Pullover mit rundem Halsausschnitt an, trug diese Kleidung jedoch wie eine Uniform. Sein silbergraues Haar war über den Ohren sorgfältig gestutzt, und die große kahle Stelle sah man erst, als er an der nächsten Kreuzung den Kopf drehte, um nach rechts und links zu schauen.
»Dann laden Sie mich also nicht zum Mittagessen ein?«, sagte Rebus.
Das Lächeln wurde breiter. »Zu nahe bei St Leonard’s. Ich möchte vermeiden, dass uns jemand zusammen sieht.«
»Ich bin Ihnen wohl nicht gut genug, Sir?«
Strathern warf Rebus einen Blick von der Seite zu. »Nicht schlecht, diese Nummer«, bemerkte er, »aber Sie feilen ja auch schon seit Jahren dran, stimmt’s?«
»Von was für einer Nummer reden Sie, Sir?«
»Lockere Sprüche, unterschwellige Aufsässigkeit. Ihre Art, auf eine unbekannte Situation zu reagieren, bis Sie wissen, was Sache ist.«
»Wenn Sie meinen, Sir.«
»Keine Sorge, John. Für das, worum ich Sie bitten will, ist Aufsässigkeit eine Grundvoraussetzung.«
Womit er Rebus noch mehr verblüffte.
Sie fuhren zu einem Pub am südlichen Stadtrand, der dicht beim Krematorium lag. Da er viel für Trauerfeiern benutzt wurde, hatte er um diese Zeit eher wenig Kundschaft. Die beiden setzten sich in eine ruhige Ecke. Strathern bestellte Sandwiches und zwei kleine Gläser IPA und begann dann eine Unterhaltung, so als wären sie zwei Kollegen, die gemeinsam Mittagspause machten.
»Trinken Sie gar nichts?«, fragte Strathern irgendwann, als er das noch unberührte Glas von Rebus bemerkte.
»Ich rühr das Zeug kaum an«, sagte Rebus.
»Das entspricht aber gar nicht Ihrem Ruf«, wunderte sich Strathern.
»Vielleicht hat man Sie falsch informiert, Sir.«
»Das glaube ich nicht. Meine Informanten sind in der Regel äußerst zuverlässig.«
Darauf konnte man nicht viel sagen, obwohl Rebus gern gewusst hätte, mit wem der Chief wohl gesprochen hatte. Vielleicht mit seinem Stellvertreter, Assistant Chief Constable Colin Carswell, der Rebus nicht ausstehen konnte; oder mit Carswells Schützling, DI Derek Linford? Beide würden Rebus’ Charakter sicher nur in den düstersten Farben schildern.
»Mit Verlaub, Sir«, sagte Rebus und lehnte sich
Weitere Kostenlose Bücher