Die Tore der Welt
machte sich daran, Unkraut auf einer von Wulfrics Parzellen zu jäten;
stets aufs Neue wucherten Ringelblumen und Brennnesseln zwischen den
Ährenreihen. Gwenda war froh, auf Wulfrics Land zu arbeiten und ihm auf diese
Weise helfen zu können, ob er es nun wusste oder nicht. Jedes Mal, wenn sie
sich bückte, hielt sie ihm ein wenig den Rücken frei; jedes Mal, wenn sie ein
Unkraut aus der Erde riss, vergrößerte sie seine Ernte.
Es war, als würde
sie ihm ständig Geschenke machen. Während sie arbeitete, stellte sie sich sein
Gesicht vor. Sie sah ihn lachen und hörte seine Stimme, die so tief war wie die
eines Mannes, zugleich aber noch so schwärmerisch wie die eines Jungen. Gwenda
berührte die grünen Ähren und stellte sich vor, sie würde Wulfric übers Haar
streichen.
Gwenda jätete bis
Sonnenaufgang und ging dann zur Domäne, jenen Parzellen, die vom Herrn selbst
bewirtschaftet und von seinen Hörigen bestellt wurden; dort arbeitete Gwenda
als Landarbeiterin gegen Entgelt. Herr Stephen war zwar tot, doch sein Getreide
musste geerntet werden, und sein Nachfolger würde einen genauen Bericht darüber
verlangen, was mit den Erträgen geschehen war.
Bei
Sonnenuntergang, nachdem Gwenda sich ihr täglich Brot verdient hatte, begab sie
sich noch einmal auf Wulfrics Felder und arbeitete dort weiter, bis es dunkel
war — oder auch länger, wenn der Mond schien.
Wulfric wusste
nicht, dass Gwenda ihm half, doch in einem Dorf mit nur zweihundert Einwohnern
blieb nichts lange geheim. So hatte die Witwe Huberts Gwenda mit freundlicher
Neugier gefragt, was sie mit ihrer Plackerei zu erreichen hoffe. »Er wird
Perkins Mädchen heiraten. Das kannst du nicht verhindern.«
»Ich will nur, dass
er Erfolg hat«, hatte Gwenda erwidert. »Er hat es verdient. Er ist ein
ehrlicher Mann mit einem guten Herzen, fleißig und redlich. Ich will, dass er
glücklich ist, selbst wenn er diese Hexe heiratet.«
Heute waren die
Gutsarbeiter auf dem Brookfield, um dort die Erbsen und Bohnen des Herrn zu
ernten. Wulfric war in der Nähe und hob einen Entwässerungsgraben aus, denn das
Land war nach den schweren Regenfällen Anfang Juni versumpft. Gwenda beobachtete
ihn bei der Arbeit. Er trug nur Hose und Stiefel und hatte den breiten Rücken
über den Spaten gebeugt. Er bewegte sich so unermüdlich wie ein Mühlrad. Nur
der Schweiß, der auf seiner Haut glitzerte, verriet, wie groß die Anstrengung
war. Zu Mittag kam Annet zu ihm. Sie sah hübsch aus mit ihrer grünen Schleife
im Haar, und sie brachte ihm einen Krug Bier, dazu Brot und Käse, eingewickelt
in Sackleinen.
Nate Reeve läutete
eine Glocke, worauf alle die Arbeit einstellten und sich unter die Bäume am
Nordende des Feldes zurückzogen.
Nate verteilte
Apfelmost, Brot und Zwiebeln an die Knechte und Mägde: Das Mittagessen war Teil
ihres Lohns. Gwenda saß mit dem Rücken an einer Hainbuche und beobachtete
Wulfric und Annet mit der Faszination eines zum Tode Verurteilten, der dem
Zimmermann beim Bau des Galgens zuschaut.
Zuerst war Annet
kokett wie immer. Sie legte den Kopf auf die Seite, klimperte mit den Wimpern
und stupste Wulfric, wobei sie kicherte und alberte. Dann wurde sie plötzlich
ernst und redete drängend auf ihn ein, während er unschuldig protestierte.
Beide schauten sie zu Gwenda hinüber; offenbar ging es um sie: Vermutlich hatte
Annet herausgefunden, dass Gwenda morgens und abends auf Wulfrics Parzellen
arbeitete. Schließlich ging Annet mit trotzigen Schritten davon, und Wulfric
beendete sein Mittagessen in nachdenklicher Einsamkeit.
Nach dem Essen
ruhten sich alle für den Rest der Mittagsstunde aus. Die älteren Knechte und
Mägde legten sich der Länge nach auf den Boden und dösten, während die jüngeren
miteinander schwatzten. Wulfric kam zu Gwenda und hockte sich neben sie. »Du
hast auf meinen Parzellen Unkraut gejätet«, sagte er.
Gwenda hatte nicht
die Absicht, sich dafür zu entschuldigen.
»Hat Annet deshalb
mit dir geschimpft?«
»Sie will nicht,
dass du für mich arbeitest.« »Was will sie dann?
Soll ich das
Unkraut wieder einpflanzen?« Wulfric schaute sich um und senkte die Stimme. Er
wollte nicht, dass jemand ihnen zuhörte, obwohl die anderen sich vermutlich
denken konnten, was er und Gwenda zu besprechen hatten. »Ich weiß, dass du es
gut meinst, und dafür bin ich dir dankbar, aber es bringt nur Ärger.«
Gwenda genoss seine
Nähe. Er roch nach Erde und Schweiß. »Du
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