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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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üblicherweise am
Sonntag auf den Tisch kam. Selbst Gwendas Eltern kochten dann meist einen
Eintopf aus Eichhörnchen, Igeln oder jungen Hasen, von denen es zu dieser Jahreszeit
viele gab. Die Witwe Huberts, bei der Gwenda untergekommen war, hatte ein Stück
Hammel im Topf über dem Feuer.
    Gwenda erhaschte
Wulfrics Blick, als sie die Kirche verließen und über den Friedhof gingen. »Das
hast du gut gemacht«, sagte sie.
    »Nate konnte sich
dir nicht länger verweigern,  obwohl er es gerne getan hätte.«
    »Es war deine
Idee«, sagte Wulfric bewundernd. »Du hast mir geraten, was ich sagen soll. Ich
weiß gar nicht, wie ich dir danken kann.«
    Gwenda widerstand
der Versuchung, es ihm zu sagen. »Wie willst du die Ernte einbringen?«, fragte
sie stattdessen. »Ich weiß es nicht.«
    »Warum lässt du
mich nicht für dich arbeiten?« »Ich kann dich nicht bezahlen.« »Ich arbeite
auch für Essen.«
    Wulfric blieb am
Friedhofstor stehen, drehte sich um und schaute sie an. »Das ist keine gute
Idee. Annet würde es nicht gefallen, und um ehrlich zu sein … sie hätte recht
damit.«
    Gwenda spürte, wie
sie errötete. Es gab keinen Zweifel, was Wulfric meinte. Entsetzt erkannte sie,
dass er von ihrer Liebe zu ihm wusste, und nun lehnte er ihr Hilfsangebot ab,
weil er sie in ihrer hoffnungslosen Leidenschaft nicht ermutigen wollte.
    »Wie du willst« ,
flüsterte sie und senkte den Blick.
    Wulfric lächelte
sie warmherzig an. »Trotzdem, danke für das Angebot.« Sie drehte sich wortlos
um und ging davon.
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KAPITEL 19
    Gwenda stand auf,
als es noch dunkel war.
    Wie üblich hatte
sie im Stroh auf dem Boden des Hauses von Witwe Huberts geschlafen, und wie
stets hatte eine innere Uhr sie kurz vor Sonnenaufgang geweckt. Die Witwe lag
neben ihr. Sie rührte sich nicht, als Gwenda ihre Decke beiseite schlug und aufstand.
Gwenda ertastete sich ihren Weg, öffnete die Hintertür und trat hinaus auf den
Hol. Skip folgte ihr und schüttelte sich.
    Einen Augenblick
stand Gwenda still da. Wie immer in Wigleigh wehte eine frische Brise. Die
Nacht war nicht vollkommen finster, sodass Gwenda Umrisse erkennen konnte: das
Entenhaus, die Latrine, den Birnbaum. Das Nachbarhaus, in dem Wulfric wohnte,
konnte sie nicht ausmachen, hörte jedoch das leise Knurren seines Hundes, der
vor dem kleinen Schafpferch angebunden war. Gwenda murmelte leise vor sich hin,
damit das Tier ihre Stimme erkannte und sich beruhigte.
    Der frühe Morgen war
still und friedlich, doch Gwenda hatte in letzter Zeit ein bisschen zu viel
Stille und Frieden gehabt: Solange sie zurückdenken konnte, hatte sie in einer
beengten Hütte voller Säuglinge und Kleinkinder gelebt, und irgendeines von
ihnen hatte immer geschrien, sei es aus Hunger oder weil es sich verletzt hatte
oder weil es in kindlicher Wut gegen irgendetwas aufbegehrte.
    Gwenda hätte nie
geglaubt, wie sehr sie diesen Lärm einmal vermissen würde. Nun lebte sie bei
einer ruhigen Witwe, die sich zwar freundlich mit ihr unterhielt, aber auch mit
Schweigen zufrieden war. Manchmal sehnte Gwenda sich danach, ein Kind schreien
zu hören, damit sie es an sich drücken und trösten konnte.
    Sie wusch sich
Hände und Gesicht in dem alten Holzeimer; dann ging sie ins Haus zurück. Im
Dunkeln ertastete sie den Tisch, öffnete den Brotkasten und schnitt eine dicke
Scheibe von einem eine Woche alten Laib. Der neue Tag brach an, als sie sich
auf den Weg machte.
    Im Dorf herrschte
noch Stille. Gwenda war als Erste auf den Beinen. Die Bauern arbeiteten von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, und besonders um diese Jahreszeit waren ihre
Tage lang und hart. Sie nutzten jede Gelegenheit, sich auszuruhen. Nur Gwenda
war auch während der Stunden zwischen Dämmerung und Sonnenaufgang geschäftig.
    Wigleigh hatte drei
große Felder: Hundredacre, Brookfield und Longfield. In einem Dreijahreszyklus
wurden dort verschiedene Getreidesorten angebaut. Weizen und Roggen, das
wertvollste Korn, wurden im ersten Jahr gesät, billigere Feldfrüchte wie Hafer,
Gerste, Erbsen und Bohnen im zweiten; im dritten Jahr ließ man das Feld
brachliegen. Dieses Jahr reiften Weizen und Roggen auf Hundredacre; auf Brookfield
wuchsen die anderen Feldfrüchte, und Longfield lag brach. Jedes Feld war in
Streifen von ungefähr einem Morgen unterteilt; das Land eines Pächters bestand
aus mehreren solcher Streifen, die sich auf alle drei Felder verteilten.
    Gwenda ging nach
Hundredacre und

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