Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
brauchst Hilfe«, sagte sie, »und Annet
ist kaum zu etwas zu gebrauchen.« »Du darfst nicht so schlecht von ihr reden!
Es wäre besser, wenn du überhaupt nicht von ihr sprichst.« »Na schön, aber du
kannst die Ernte nicht allein einbringen.« Er seufzte. »Wenn doch nur die Sonne
scheinen würde!« Unwillkürlich schaute er zum Himmel, typisch für einen Bauern.
Eine dicke Wolke zog sich von einem Horizont zum anderen. Seit längerer Zeit
war es kühl und feucht, und das Getreide wollte nur langsam reifen.
    »Lass mich für dich
arbeiten«, bettelte Gwenda. »Sag Annet, dass du mich brauchst. Ein Mann soll
Herr über sein Weib sein, nicht anders herum.«
    »Ich werde darüber
nachdenken«, erwiderte er.
    Doch am nächsten
Tag stellte Wulfric einen Feldarbeiter ein. Es war ein Reisender, der am späten
Nachmittag in Wigleigh aufgetaucht war. Die Dörfler versammelten sich um ihn
und hörten sich in der Abenddämmerung seine Geschichte an. Sein Name war Gram,
und er kam aus Salisbury. Sein Weib und seine Kinder, erzählte er, seien
jämmerlich umgekommen, als sein Haus niederbrannte; nun sei er auf dem Weg nach
Kingsbridge, wo er Arbeit zu finden hoffe, vielleicht in der Priorei. Sein
Bruder sei dort Mönch.
    Gwenda sagte:
»Vielleicht kenne ich ihn. Mein Bruder Philemon arbeitet schon seit Jahren in
der Priorei. Wie heißt dein Bruder?«
    »John.« Es gab zwei
Mönche mit Namen John, doch ehe Gwenda fragen konnte, welchen John er meinte,
fuhr Gram fort: »Als ich mich auf den Weg gemacht habe, hatte ich ein paar
Münzen bei mir, um mir unterwegs Essen zu kaufen. Aber ich wurde von Geächteten
ausgeraubt, und jetzt habe ich keinen Penny mehr, nur noch mein nacktes Leben.«
    Diese traurige
Geschichte brachte Gram viel Mitleid ein. Wulfric lud ihn sogar ein, in seinem
Haus zu schlafen. Am nächsten Tag, einem Samstag, stellte Wulfric ihn als
Helfer ein. Gram arbeitete für Kost und Logis und einen Anteil an der Ernte.
    Beide Männer
schufteten den ganzen Samstag. Wulfric pflügte die Disteln auf der Brache im
Longfield unter; Gram führte das Pferd und trieb es an, wenn es stehen blieb,
während Wulfric den Pflug lenkte. Am Sonntag ruhten sie.
    Beim
Sonntagsgottesdienst brach Gwenda in Tränen aus, als sie Cath, Joanie und Eric
sah. Erst jetzt erkannte sie, wie sehr sie ihre Geschwister vermisste. Sie
hielt Eric während des ganzen Gottesdienstes in den Armen. Nach der Messe fuhr
ihre Mutter sie zornig an: »Du brichst dir das Herz wegen diesem Wulfric! Nur
weil du sein Unkraut jätest, liebt er dich noch lange nicht! Er ist ganz
verrückt nach dieser nutzlosen Annet.«
    »Ich weiß«,
entgegnete Gwenda, »aber ich will ihm trotzdem helfen.« »Du solltest das Dorf
verlassen. Hier gibt es nichts mehr für dich.« Gwenda wusste, dass ihre Mutter
recht hatte. »Am Tag nach ihrer Hochzeit gehe ich fort.« Ma senkte die Stimme.
»Wenn du so lange bleiben willst, dann sei auf der Hut vor deinem Vater. Er hat
die Hoffnung auf weitere zwölf Shilling noch nicht aufgegeben.«
    »Was meinst du
damit?«, fragte Gwenda.
    Ma schüttelte nur
den Kopf.
    »Er kann mich jetzt
nicht mehr verkaufen«, sagte Gwenda. »Ich habe sein Haus verlassen. Er gibt mir
weder Essen noch ein Dach über dem Kopf. Ich arbeite für den Herrn von
Wigleigh. Pa kann nicht mehr über mich verfügen.«
    »Pass nur gut auf«,
sagte Ma.
    Vor der Kirche
sprach Gram, der Reisende, Gwenda an und schlug vor, dass sie nach dem
Mittagessen spazieren gehen sollten.
    Gwenda hatte so
eine Vermutung, was er mit »spazieren gehen« meinte, und so lehnte sie
rundheraus ab, doch später sah sie Gram mit der blonden Joanna, der Tochter von
David Johns, die erst fünfzehn und dumm genug war, der Faszination eines
Fremden zu erliegen.
    Am Montag jätete
Gwenda im Zwielicht vor Sonnenaufgang Wulfrics Weizen auf Hundredacre, als
Wulfric plötzlich über das Feld auf sie zugelaufen kam. Sein Gesicht war dunkel
vor Zorn.
    Gwenda hatte sich
Wulfrics Wünschen hartnäckig widersetzt und nach wie vor morgens und abends auf
seinem Land gearbeitet; nun sah es so aus, als hätte sie das Fass zum
Überlaufen gebracht. Was würde er tun? Sie schlagen? So wie sie ihn
herausgefordert hatte, konnte Wulfric sie verprügeln, ohne dafür bestraft zu
werden, zumal niemand für sie sprechen würde, da sie das Haus ihrer Eltern
verlassen hatte. Gwenda hatte Angst. Schließlich hatte sie miterlebt, wie
Wulfric Ralph Fitzgerald die

Weitere Kostenlose Bücher