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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sich nicht mehr
blicken, sodass Gwenda ihnen beiden Essen machte, wobei sie die Vorräte in
seinem Schrank plünderte: Brot, Bier, gekochte Eier, kalter Schinken,
Frühlingszwiebeln und Rote Bete. Wieder ließ Wulfric es zu, ohne ein Wort zu
sagen.
    Gwenda hatte noch
immer den Liebestrank. Die Phiole steckte in einem winzigen Lederbeutel, den
sie an einem Riemen um den Hals trug. Der Beutel hing zwischen ihren Brüsten,
vor neugierigen Blicken geschützt. Gwenda hätte Wulfric mittags etwas von dem
Trank ins Bier geben können, doch sie wollte nicht, dass dessen Wirkung sich am
helllichten Tag und auf freiem Feld entfaltete.
    Jeden Abend ging
Wulfric zu Perkin, um mit Annet und ihrer Familie zu essen, und Gwenda saß
allein in der Küche. Wenn Wulfric  zurückkam, schaute er oft düster drein,
sagte aber nichts, sodass Gwenda annahm, dass Annet ihm Vorhaltungen gemacht
hatte. Er ging zu Bett, ohne etwas zu essen oder zu trinken; so konnte Gwenda
den Liebestrank abermals nicht einsetzen.
    Am Samstag, nachdem
Gram sich mitsamt dem Pferd davongemacht hatte, kochte Gwenda sich einen
Eintopf aus Gemüse und Pökelfleisch. In Wulfrics Haus gab es Vorräte für vier
Erwachsene und somit genug zu essen. Die Abende waren kühl, obwohl es noch Juli
war, sodass Gwenda noch ein Scheit aufs Feuer legte, nachdem sie gegessen
hatte. Sie beobachtete, wie die Flammen um das Holz leckten, bis es Feuer fing,
und dachte über das einfache und überschaubare Leben nach, das sie bis vor ein
paar Wochen geführt hatte. Nun staunte sie, dass dieses Leben genauso in sich
zusammengefallen war wie die Brücke von Kingsbridge.
    Als die Tür sich
öffnete, glaubte sie, Wulfric sei wieder nach Hause gekommen. Bei seiner
Rückkehr zog sie sich stets in den Kuhstall zurück, genoss zuvor aber die
freundlichen Worte, die sie jedes Mal vor dem Schlafengehen wechselten. Als
Gwenda diesmal freudig den Blick hob, um Wulfric entgegenzusehen, erlitt sie
einen solchen Schock, dass ihr Lächeln gefror.
    Es war nicht
Wulfric, es war ihr Vater.
    Bei ihm war ein
grobschlächtig aussehender Fremder.
    Gwenda sprang auf.
Sie hatte schreckliche Angst. »Was willst du?« Skip stieß ein feindseliges Bellen
aus, zog sich dann aber furchtsam vor Joby zurück.
    Joby sagte: »Hab
keine Angst, mein kleines Mädchen. Ich bin doch dein Pa.«
    Voller Verzweiflung
erinnerte Gwenda sich an die Warnung ihrer Mutter in der Kirche. »Wer ist
das?«, fragte sie und starrte auf den Fremden.
    »Das ist Jonah aus
Abingdon. Er handelt mit Tierhäuten.« Einst mochte Jonah ein Händler gewesen
sein, und vielleicht stammte er tatsächlich aus Abingdon, doch seine Stiefel
waren verschlissen, seine Kleider verdreckt, und sein stumpfes Haar und der
struppige Bart verrieten, dass er schon seit Jahren keinen Barbier mehr gesehen
hatte.
    Mutiger, als sie
sich fühlte, rief Gwenda: »Verschwindet!« »Ich hab dir ja gesagt, dass sie ein
freches Gör ist«, sagte Joby zu Jonah.
    »Aber sie ist ein
gutes Mädchen und kräftig obendrein.« Jonah sprach zum ersten Mal. »Keine Sorge«,
sagte er. Während er Gwenda musterte, leckte er sich die Lippen, und sie
wünschte sich, mehr am Leib zu haben als nur ihr leichtes Wollkleid. »Ich hab
in meinem Leben schon so manches Fohlen gezähmt«, fügte Jonah hinzu.
    Gwenda hegte keinen
Zweifel, dass ihr Vater seine Drohung wahr gemacht und sie erneut verscherbelt
hatte. Sie hatte geglaubt, in Sicherheit zu sein, nachdem sie sein Haus
verlassen hatte. Die Dörfler würden doch sicher nicht zulassen, dass eine Magd
entführt wurde, die für einen der ihren arbeitete … oder? Aber es war dunkel,
und sie könnte schon weit weg sein, ehe jemand bemerkte, was geschehen war.
    Niemand würde ihr
helfen.
    Trotzdem — sie
würde sich nicht kampflos ergeben! Gwenda sah sich verzweifelt nach einer Waffe
um. Das Holzscheit, das sie vor ein paar Minuten ins Feuer gelegt hatte,
brannte an einem Ende; das andere Ende ragte ein unangenehm kurzes Stück aus
den Flammen heraus. Dennoch bückte Gwenda sich rasch und packte das Scheit.
    »Aber, aber, so
etwas tut man nicht«, sagte Joby. »Du willst deinem alten Pa doch nicht
wehtun?« Er trat näher.
    Eine Woge heißer
Wut brandete über Gwenda hinweg. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu
sprechen, wo er sie wieder verkaufen wollte! Plötzlich wollte Gwenda ihm nur
noch wehtun. Mit einem zornigen Schrei sprang sie auf ihn zu und stieß mit dem
brennenden

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