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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gästehaus leer. Eine Nonne sagte zu den beiden Jungen: »Euer
Vater ist in der Kirche, mit dem Grafen von Shiring.«
    Sie gingen in die
große Kathedrale. Ihre Eltern waren in der Vorhalle. Mutter saß am Fuß eines
Pfeilers, auf der hervorstehenden Ecke, wo die runde Säule auf den eckigen
Sockel traf. In dem kalten Licht, das durch die großen Fenster fiel, wirkte
Lady Mauds Gesicht ruhig und heiter — fast als wäre es aus dem gleichen Stein
gemeißelt wie die Säule, an der ihr Kopf lehnte. Vater stand neben ihr und ließ
resigniert die Schultern hängen. Graf Roland stand ihnen gegenüber. Er war
älter als Vater, doch mit seinem schwarzen Haar und dem energischen Auftreten
wirkte er weit jünger. Prior Anthony stand neben dem Grafen.
    Die beiden Jungen
blieben an der Tür stehen, doch ihre Mutter winkte sie zu sich. »Kommt her«,
sagte sie. »Graf Roland hat uns zu einer Übereinkunft mit Prior Anthony
verholfen, die all unsere Probleme löst.«
    Vater knurrte, als
wäre er nicht so dankbar für das, was der Graf getan hatte. »Und die Priorei
bekommt meine Ländereien«, sagte er. »Es wird nichts mehr für euch beide zu
erben geben.«
    »Wir werden hier in
Kingsbridge leben«, fuhr Mutter freudig fort.
    »Wir werden
Muntlinge der Priorei.«
    Merthin fragte:
»Was ist ein Muntling?« »Das bedeutet, dass die Mönche uns für den Rest unseres
Lebens ein Haus und zwei Mahlzeiten am Tag zur Verfügung stellen. Ist das nicht
wunderbar?«
    Merthin sah ihr
deutlich an, dass sie es keineswegs für wunderbar hielt. Vater schämte sich
sichtlich, dass er seine Ländereien verloren hatte. Das war nicht nur eine kleine
Schmach, erkannte Merthin.
    Vater wandte sich
an den Grafen. »Was ist mit meinen Söhnen?«
    Graf Roland drehte
sich um und schaute die beiden Jungen an.
    »Der große sieht
viel versprechend aus«, sagte er. »Hast du den Hasen getötet, Junge?« »Ja,
Mylord«, antwortete Ralph stolz.
    »In ein paar Jahren
kann er als Junker zu mir kommen«, sagte der Graf in barschem Ton. »Dann werden
wir ihn lehren, ein Ritter zu sein.«
    Vater sah zufrieden
aus.
    Merthin war
verwirrt. Hier wurden viel zu schnell viel zu große Entscheidungen getroffen.
Er war wütend, weil sein jüngerer Bruder so bevorzugt wurde, während man ihn
gar nicht erwähnte. »Das ist nicht gerecht!«, platzte er heraus. »Ich will auch
ein Ritter werden!«
    Mutter sagte:
»Nein!«
    »Aber ich habe den
Bogen gemacht!«
    Vater seufzte
wütend und schaute angewidert drein.
    »Du hast also den
Bogen gemacht, mein Kleiner, ja?«, sagte der Graf, und Verachtung zeichnete
sich auf seinem Gesicht ab. »In dem Fall wirst du bei einem Zimmermann in die
Lehre gehen.«
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KAPITEL 3
    Caris‘ Heim war ein
prachtvoll ausgestattetes Fachwerkhaus mit Steinböden und einem steinernen
Kamin. Im Erdgeschoss gab es drei Räume: die Halle mit dem großen Speisetisch,
den Salon, wo Papa Geschäfte unter vier Augen besprach, und hinten die Küche.
    Als Caris und
Gwenda hereinkamen, war das Haus so sehr vom Duft nach gekochtem Schinken
erfüllt, dass einem das Wasser im Mund zusammen lief.
    Caris führte Gwenda
durch die Halle und die Innentreppe hinauf.
    »Wo sind denn die
Welpen?«, fragte Gwenda.
    »Ich will zuerst
nach meiner Mutter sehen«, erwiderte Caris. »Sie ist krank.«
    Sie gingen ins
vordere Schlafgemach, wo Mama auf einer hölzernen Bettstatt lag. Mama war klein
und zierlich; Caris war schon fast genauso groß wie sie. Mama sah blasser als
gewöhnlich aus, und ihr Haar war noch nicht frisiert, sodass es ihr an den
feuchten Wangen klebte. »Wie fühlst du dich?«, fragte Caris.
    »Ein wenig schwach
heute.« Die Anstrengung des Sprechens allein raubte Mama schon den Atem.
    Caris empfand eine
vertraute, schmerzhafte Mischung aus Sorge und Hilflosigkeit. Ihre Mutter war
schon seit einem Jahr krank. Mit Gelenkschmerzen hatte es angefangen. Kurz
darauf hatte sie Geschwüre im Mund bekommen, und auf ihrem Leib waren unerklärliche
blaue Flecken aufgetaucht. Außerdem war sie die ganze Zeit müde. Vergangene
Woche hatte sie sich dann auch noch eine Erkältung eingefangen. Jetzt litt sie
an Fieber und hatte Schwierigkeiten zu atmen.
    »Brauchst du
etwas?«, fragte Caris.
    »Nein, danke.«
    Das war die übliche
Antwort, doch jedes Mal, da Caris sie hörte, wurde sie fast wahnsinnig ob ihrer
Machtlosigkeit. »Soll ich Mutter
    Cecilia holen?« Die Priorin von Kingsbridge
war der einzige

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