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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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geschworen, seinen Erstgeborenen Gott zu weihen, doch unglücklicherweise
war sein erstgeborenes Kind ein Mädchen: ich. Er hat mich nach der heiligen
Petronilla benannt — der Tochter des heiligen Petrus, wie ihr sicherlich wisst — und gebetet, dass er das nächste Mal einen Sohn bekommen möge. Doch sein erster
Sohn ist missgestalt geboren worden, und Vater wollte Gott ein makelloses
Geschenk machen; deshalb hat er Edmund erzogen, das Wollgeschäft zu übernehmen.
Glücklicherweise war sein drittes Kind, unser Bruder Anthony, ein manierlicher
und gottesfürchtiger Sohn. Schon als Junge ist er ins Kloster eingetreten, und
nun — das sagen wir mit Stolz — ist er der Prior.«
    Wäre Petronilla als
Mann zur Welt gekommen, wäre sie gewiss Priester geworden. Doch so hatte sie
das Nächstbeste getan und ihren einzigen Sohn, Godwyn, zum Mönch in der Priorei
erzogen.
    Wie Großvater
Wooler, so hatte auch sie ein Kind Gott geschenkt. Godwyn, ihr älterer Vetter,
hatte Caris stets leid getan, weil er Petronilla zur Mutter hatte.
    Petronilla bemerkte
den roten Mantel. »Wem gehört der?«, fragte sie. »Das ist allerteuerstes
italienisches Tuch!«
    »Ich habe ihn für
Rose gekauft«, antwortete Papa.
    Petronilla maß ihn
einen Moment lang mit starrem Blick. Caris merkte ihr an, dass sie es für eine
schier unglaubliche Torheit hielt, solch einen Mantel für eine Frau zu kaufen,
die das Haus seit einem Jahr nicht mehr verlassen hatte. Doch sie sagte nur:
»Du bist sehr gut zu ihr«, was man als Kompliment auffassen konnte oder auch
nicht.
    Vater war das egal.
»Geh rauf, sie besuchen«, drängte er. »Das wird sie aufmuntern.«
    Caris bezweifelte
das, doch Petronilla litt nicht unter derartigen Zweifeln und ging hinauf.
    Caris‘ Schwester
Alice kam von der Straße herein. Sie war elf, ein Jahr älter als Caris. Alice
starrte Gwenda an und fragte: »Wer ist das?«
    »Meine neue
Freundin Gwenda«, sagte Caris. »Sie wird einen Welpen mitnehmen.«
    »Aber sie hat den,
den ich haben wollte!«, protestierte Alice.
    Das hatte sie bis
jetzt nie gesagt. »Oooh … Du hast dir nie einen ausgesucht!«, erwiderte Caris
wütend. »Du sagst das nur, weil du gemein bist.«
    »Warum sollte sie
einen unserer Welpen bekommen?« Papa mischte sich ein. »Na, na, na«, sagte er.
»Wir haben mehr Welpen, als wir gebrauchen können.«
    »Caris hätte mich
zuerst fragen sollen, welchen ich haben will!«
    »Ja, das hätte
sie«, sagte Papa, obwohl er sehr wohl wusste, dass Alice nur Ärger machen
wollte. »Tu das nie wieder, Caris.« »Ja, Papa.« Der Koch kam mit Krügen und
Bechern aus der Küche herein.
    Als Caris noch
nicht richtig sprechen konnte, hatte sie den Koch aus irgendeinem Grund Tutty
genannt, und der Name war an ihm hängen geblieben. Papa sagte: »Danke, Tutty.
Setzt euch an den Tisch, Mädchen.« Gwenda zögerte. Sie war nicht sicher, ob sie
eingeladen war, doch Caris nickte ihr zu, wohl wissend, dass Papa auch sie gemeint
hatte — er bat generell jeden in Sichtweite, sich zum Essen zu ihnen zu
gesellen.
    Tutty schenkte Papa
Bier nach und gab Alice, Caris und Gwenda dann Bier gemischt mit Wasser. Gwenda
leerte ihren Becher sofort, und das mit sichtlichem Genuss. Caris vermutete,
dass Gwenda nicht oft Bier zu trinken bekam: Arme Leute tranken Apfelmost aus
Fallobst.
    Als Nächstes
stellte der Koch vor jeden eine dicke Scheibe Roggenbrot, ein Fuß im Quadrat.
Gwenda griff sich ihre Scheibe, um sie zu essen, und Caris erkannte, dass ihre
neue Freundin noch nie richtig an einem Tisch gegessen hatte. »Warte«, sagte
sie leise, und Gwenda legte das Brot wieder hin. Tutty brachte den Schinken auf
einem Hackbrett und dazu eine Schüssel Kohl. Papa nahm ein großes Messer,
schnitt Scheiben vom Schinken und stapelte sie auf den Broten der Mädchen.
Gwenda starrte mit großen Augen auf die Unmengen an Fleisch, die man ihr gab. Caris
schaufelte Kohlblätter auf den Schinken.
    Elaine, die
Kammerzofe, kam die Treppe herunter geeilt. »Der Herrin scheint es schlechter
zu gehen«, sagte sie. »Frau Petronilla sagt, wir sollen nach Mutter Cecilia
schicken.«
    »Dann lauf in die
Priorei und bitte sie zu kommen«, sagte Papa.
    Die Zofe eilte
davon.
    »Langt zu, Kinder«,
sagte Papa und spießte eine Scheibe heißen Schinken mit dem Messer auf; doch
Caris sah, dass er das Essen nicht länger genoss, sondern in eine unbestimmte
Ferne schaute.
    Gwenda kostete ein
wenig Kohl und

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