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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Erwachsenenlebens.
    Caris hatte Merthin
gemocht. Sein langweiliger Bruder Ralph hingegen war genauso wie die anderen
Jungen in Kingsbridge: prahlerisch, dumm und mordlustig. Aber Merthin schien
anders zu sein. Er hatte sie von Beginn an fasziniert.
    Zwei neue Freunde
an einem Tag, dachte sie und schaute zu Gwenda. Das kleine Mädchen war nicht
hübsch. Es hatte dicht beisammen stehende dunkelbraune Augen über einer Hakennase.
    Gwenda hatte sich
einen Hund ausgesucht, der ihr ein klein wenig ähnelte, erkannte Caris
amüsiert. Gwendas Kleider waren alt.
    Vermutlich hatten
schon andere Kinder sie vor ihr getragen.
    Gwenda hatte sich
schon wieder ein wenig beruhigt. Sie sah nicht mehr so aus, als würde sie jeden
Augenblick in Tränen ausbrechen. Auch sie trösteten die Welpen.
    In der Halle unten
waren vertraute schleppende Schritte zu hören, und einen Augenblick später
bellte eine Stimme: »Bei allen Heiligen, bringt mir einen Krug Bier! Ich habe
Durst wie ein Kutschpferd.«
    »Das ist mein
Vater«, sagte Caris. »Komm. Ich will dich ihm vorstellen.« Als sie sah, wie
besorgt Gwenda drein blickte, fügte sie rasch hinzu: »Mach dir keine Sorgen. Er
schreit immer so, aber er ist wirklich nett.«
    Die Mädchen gingen
mit ihren Welpen nach unten. »Was ist mit meinen Dienern passiert?«, brüllte
Papa. »Sind sie weggelaufen, um sich dem Elfenvolk anzuschließen?« Er kam aus
der Küche gestapft und zog dabei wie immer sein verdrehtes rechtes Bein hinterher.
In der Hand hielt er einen großen Holzbecher, aus dem Bier schwappte. »Hallo,
meine kleine Butterblume«, sagte er in sanfterem Ton zu Caris. Er setzte sich
auf den großen Stuhl am Kopf des Tisches und trank einen kräftigen Schluck.
»Das ist schon besser«, sagte er und wischte sich mit dem Ärmel den zotteligen
Bart ab. Dann bemerkte er Gwenda. »Ein kleines Gänseblümchen bei meiner
Butterblume?«, sagte er. »Wie heißt du?«
    »Gwenda, aus
Wigleigh, Mylord«, antwortete Gwenda ehrerbietig — »Ich habe ihr einen Welpen
geschenkt«, erklärte Caris.
    »Das war eine gute
Idee!«, sagte Papa. »Welpen brauchen Zuneigung, und niemand kann einen Welpen
so sehr lieben wie ein kleines Mädchen.«
    Auf dem Hocker
neben dem Tisch sah Caris einen Mantel aus scharlachrotem Tuch. Das musste aus
dem Ausland stammen, denn englische Färber brachten solch ein strahlendes Rot
nicht zustande. Papa folgte ihrem Blick und sagte: »Der ist für deine Mutter.
Sie hat sich schon immer einen Mantel in italienischem Rot gewünscht. Ich
hoffe, das wird sie ermutigen, bald wieder gesund genug zu werden, um ihn zu
tragen.«
    Caris berührte ihn.
Die Wolle war weich und dicht gewebt, wie nur die Italiener es konnten. »Er ist
wunderschön«, sagte sie.
    Tante Petronilla
kam von der Straße herein. Sie sah Papa durchaus ähnlich, war aber streng, wo
er herzlich war. Sie glich mehr ihrem anderen Bruder, Anthony, dem Prior von
Kingsbridge: Beide waren sie große, beeindruckende Gestalten, während Papa
klein, breit und lahm war.
    Caris mochte
Petronilla nicht. Petronilla war ebenso klug wie boshaft, eine tödliche
Mischung bei einem Erwachsenen: Caris gelang es nie, sie hinters Licht zu
führen. Nur Papa freute sich, sie zu sehen. »Komm herein, Schwester«, sagte er.
»Wo sind all meine Bediensteten?«
    »Ich weiß nicht,
warum du glaubst, dass ich das wissen könnte.
    Ich komme gerade
von meinem eigenen Haus am Ende der Straße; aber wenn ich raten sollte, Edmund,
so würde ich sagen, dass euer Koch im Hühnerhaus ist, um nach einem Ei für
deinen Pudding zu suchen, und eure Zofe ist oben und hilft deinem Weib auf den
Nachtstuhl, den sie für gewöhnlich gegen Mittag braucht.
    Was deine Lehrlinge
betrifft, so hoffe ich, dass sie beide am Lagerhaus unten am Ufer Wache stehen
und darauf achten, dass es sich keine Zecher in ihre betrunkenen Köpfe setzen,
dein Wolllager in ein Freudenfeuer zu verwandeln.«
    Sie sprach häufig
so, hielt eine Predigt, anstatt einfach nur eine Antwort zu geben. Ihr Benehmen
war wie stets von Hochmut geprägt, doch Papa machte das nichts aus — oder
zumindest tat er so.
    »Ach, meine
bemerkenswerte Schwester«, sagte er. »Du bist wahrlich diejenige, die die
Klugheit unseres Vaters geerbt hat.«
    Petronilla wandte
sich den Mädchen zu. »Unser Vater stammt von Tom Builder ab, dem Stiefvater und
Lehrmeister von Jack Builder, dem Erbauer der Kathedrale von Kingsbridge«,
sagte sie. »Vater hat

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