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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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flüsterte: »Das ist Essen vom Himmel.« Caris probierte es. Der
Kohl war mit Ingwer gekocht.
    Gwenda hatte Ingwer
vermutlich noch nie geschmeckt. Nur reiche Leute konnten ihn sich leisten.
    Petronilla kam
herunter, legte ein wenig Schinken auf einen Holzteller und trug ihn für Mama
hoch; doch nur wenige Augenblicke später kehrte sie mit dem noch unberührten
Essen wieder zurück. Sie setzte sich an den Tisch, um es selbst zu essen, und
der Koch brachte ihr ein Schneidebrett. »Als ich noch ein Mädchen war, waren
wir die einzige Familie in Kingsbridge, bei der jeden Tag Fleisch auf den Tisch
kam«, erzählte sie. »Außer an Fastentagen natürlich, denn mein Vater war sehr
fromm. Er war der erste Wollhändler der Stadt, der direkt mit den Italienern
gehandelt hat.
    Heutzutage macht
das jeder … auch wenn mein Bruder Edmund noch immer der wichtigste Händler
ist.«
    Caris hatte ihren
Appetit verloren, und sie musste lange kauen, bevor sie etwas schlucken konnte.
Schließlich kam Mutter Cecilia, eine kleine, lebhafte Frau mit robustem, aber
beruhigendem Auftreten. Bei ihr war Schwester Juliana, eine etwas schlichte
Person, doch mit warmem Herzen. Caris fühlte sich schon besser, als sie die beiden
die Treppe hinaufgehen sah: ein schnatternder Sperling mit einer watschelnden
Henne im Schlepptau. Sie würden Mutter in Rosenwasser baden, um das Fieber zu
kühlen, und die Düfte würden ihren Geist anregen.
    Tutty brachte Äpfel
und Käse. Gedankenverloren schälte Papa einen Apfel mit seinem Messer. Caris
erinnerte sich daran, dass er sie immer mit geschälten Apfelstücken gefüttert
hatte, als sie noch jünger gewesen war; die Schale hatte er selbst gegessen.
    Schwester Juliana
kam wieder herunter, einen besorgten Ausdruck auf ihrem dicklichen Gesicht.
»Die Priorin möchte, dass Bruder Joseph kommt, um sich Frau Rose anzusehen«,
sagte sie. Joseph war der Arzt des Klosters; er hatte bei den Meistern seines
Fachs in Oxford gelernt. »Ich gehe ihn holen«, sagte Juliana und lief auf die
Straße hinaus.
    Papa legte seinen
geschälten Apfel ungegessen ab.
    Caris fragte: »Was
wird jetzt geschehen?« »Ich weiß es nicht, Butterblume. Wird es regnen? Wie
viele Säcke Wolle brauchen die Florentiner? Wird eine Seuche die Schafe
befallen? Ist das Baby ein Mädchen oder ein Junge mit einem verdrehten Bein?
Das wissen wir nie. Das … « Er schaute weg. »Das macht es ja so hart.« Er gab
Caris den Apfel,, und Caris reichte ihn an Gwenda weiter, die ihn zur Gänze
verschlang, mitsamt Kerngehäuse und Stängel.
    Ein paar Minuten
später kam Bruder Joseph mit einem jungen Gehilfen, den Caris als Saul
Whitehead erkannte. Den Namen verdankte er seinem aschblonden Haar — oder dem,
was nach der Tonsur davon übrig geblieben war.
    Cecilia und Juliana
kamen herunter, ohne Zweifel, um in dem engen Schlafgemach den beiden Männern
Platz zu machen. Cecilia setzte sich an den Tisch, aß aber nichts. Sie hatte
ein kleines Gesicht mit scharfen Zügen: eine kleine, spitze Nase, strahlende
Augen und ein Kinn wie der Bug eines Bootes. Neugierig schaute sie auf Gwenda.
»Nun denn«, fragte sie fröhlich, »wer ist denn dieses kleine Mädchen, und liebt
sie auch unseren Herrn Jesus und seine heilige Mutter?«
    Gwenda sagte: »Ich
bin Gwenda. Ich bin Caris‘ Freundin.«
    Ängstlich schaute
sie zu Caris, als wäre es anmaßend von ihr, sich ihre Freundin zu nennen.
    Caris fragte: »Wird
die Jungfrau Maria meine Mama wieder gesund machen?«
    Cecilia hob die
Augenbrauen. »Solch eine unverblümte Frage. Ich hätte mir denken können, dass
du Edmunds Tochter bist.«
    »Jeder betet zu
ihr, aber nicht jeder wird wieder gesund«, sagte Caris.
    »Und weißt du auch,
warum das so ist?« »Vielleicht hilft sie nie jemandem, und die Starken werden
einfach wieder gesund und die Schwachen nicht.« »Aber, aber, sei nicht dumm«,
sagte Papa. »Jeder weiß, dass die Gottesmutter uns hilft.« »Schon gut«, sagte
Cecilia zu ihm. »Es ist ganz normal, dass ein Kind Fragen stellt — besonders
wenn es klug ist. Caris, die Heiligen sind stets sehr mächtig, doch einige
Gebete sind wirkungsvoller als andere. Verstehst du das?« Caris nickte widerwillig.
Sie war weniger überzeugt, als dass sie sich überlistet fühlte.
    »Sie muss in unsere
Schule kommen«, sagte Cecilia. Die Nonnen unterhielten eine Schule für die
Töchter des Adels und einige der wohlhabenderen Stadtbewohner. Die Mönche
hatten eine

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