Die Tore der Welt
und vom besseren Geschäft profitieren.« Caris sagte:
»Aber Onkel Anthony
ist ein geistlicher Herr, und er hat das Gefühl, dass das nicht seiner Aufgabe
entspricht.« »Aber ihm gehört die Stadt!«, protestierte Vater. »Er ist der
Einzige, der das kann!«
Dann schaute er
seine Tochter fragend an, wohl wissend, dass sie ihm nicht ohne Grund
widersprochen hatte. »Was denkst du?«
»Nehmen wir einmal
an, die Bürger würden eine Brücke bauen.
Im Gegenzug
beteiligt man sie am Brückenzoll …« Edmund öffnete den Mund, um etwas
einzuwenden, doch ihm fiel nichts ein.
Caris schaute zu
Anthony.
Anthony sagte: »Als
die Priorei gerade erst erbaut war, stellte diese Brücke ihre einzige
Einnahmequelle dar. Ich kann sie nicht hergeben.«
»Aber was würdest
du nicht alles gewinnen, wenn der Wollmarkt und der Wochenmarkt wieder zu alter
Größe zurück fänden, Onkel Anthony! Nicht nur den Brückenzoll, auch Standmieten
und Anteile an allen Geschäften auf dem Markt, ganz zu schweigen von all den
Spenden an die Kathedrale.«
Edmund fügte hinzu:
»Und die Profite von euren eigenen Verkäufen: Wolle, Getreide, Leder, Bücher,
Heiligenstatuen … «
»Das hast du
geplant, nicht wahr?« Vorwurfsvoll richtete Anthony den Finger auf seinen
älteren Bruder. »Du hast deiner Tochter und dem Jungen eingetrichtert, was sie
sagen sollen. Merthin würde nie einen solchen Plan aushecken, und Caris ist nur
eine Frau. Das riecht nach dir. Das ist eine Intrige, um mich um den Brückenzoll
zu bringen. Nun, sie ist gescheitert. Gelobt sei Gott der Herr, so dumm bin ich
nicht!« Er wandte sich ab und stapfte durch den Schlamm davon.
Edmund sagte: »Wie
hat unser Vater es bloß geschafft, einen Mann mit dem Verstand einer Kröte zu
zeugen?« Damit schlurfte auch er davon.
Caris wandte sich
an Merthin. »Und wie denkst du darüber?«
»Ich weiß nicht.«
Er wich ihrem Blick aus. »Ich sollte jetzt besser wieder an die Arbeit gehen.«
Er ging ohne einen Kuss.
»Hoppla!«, sagte
Caris, als er außer Hörweite war. »Was, um Himmels willen, ist denn in den
gefahren?«
----
KAPITEL 8
Am Donnerstag der
Wollmarktwoche kam der Graf von Shiring nach Kingsbridge. Er brachte seine
beiden Söhne mit, mehrere andere Familienangehörige und ein Gefolge von Rittern
und Junkern. Die Brücke wurde von seiner Vorhut freigeräumt, die sie dann bis
zur Ankunft des Grafen sperrte, damit er nicht die Demütigung erdulden musste,
neben dem einfachen Volk zu warten. Sein Gefolge trug seine rotschwarze Livree,
und die ganze Kavalkade sprengte mit flatternden Bannern in die Stadt; die Hufe
der Pferde bespritzten die Stände mit Wasser und Schlamm. Graf Roland war in
den letzten zehn Jahren vom Schicksal begünstigt gewesen — erst unter Königin
Isabella und später unter ihrem Sohn Edward III. —, und das wollte er die ganze
Welt auch wissen lassen, wie alle reichen und mächtigen Männer.
In seinem Gefolge
befand sich auch Ralph, der Sohn von Sir Gerald und Bruder von Merthin. Zur
gleichen Zeit, da Merthin seine Lehre bei Elfrics Vater angetreten hatte, war
Ralph Junker im Haushalt von Graf Roland geworden, und seitdem war er
glücklich. Man hatte ihn gut ernährt und gekleidet, und er hatte Reiten und Fechten
gelernt und den Großteil seiner Zeit mit Jagen und Spielen verbracht. In
sechseinhalb Jahren hatte niemand von ihm verlangt, auch nur ein Wort zu lesen
oder zu schreiben. Während er nun hinter dem Grafen an den dicht an dicht
stehenden Marktständen vorbeiritt, verfolgt von neidischen wie ängstlichen
Blicken, bemitleidete er die Kaufleute und Händler, die im Schlamm nach Pennys
suchten.
Der Graf saß am
Haus des Priors ab, auf der Nordseite der Kathedrale. Sein jüngerer Sohn,
Richard, tat es ihm nach. Richard war der Bischof von Kingsbridge, und formell
war die Kathedrale seine Kirche. Allerdings befand sich der Bischofspalast in
der Burgstadt Shiring, zwei Tagesreisen entfernt. Das kam Bischof Richard gut
zupass, denn seine Pflichten waren ebenso politischer wie religiöser Natur —
und es war auch den Mönchen ganz recht, die es vorzogen, nicht so streng
überwacht zu werden.
Richard war erst
achtundzwanzig, doch sein Vater war ein enger Verbündeter des Königs, und das
zählte mehr als Lebensjahre.
Der Rest des
Gefolges ritt zum Südende des Kathedralengeländes.
Der ältere Sohn des
Grafen, William, Herr von Caster, befahl den Junkern, die Pferde im Stall
Weitere Kostenlose Bücher