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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Woolers Tochter.«
    »Caris?« Ralph
lächelte. »Er hat sie schon immer gemocht. Als Kinder haben wir zusammen
gespielt. Sie war ein aufmüpfiges kleines Biest, doch Merthin schien das nie
etwas auszumachen. Wird er sie heiraten?«
    »Davon gehe ich
aus«, antwortete Mutter. »Sobald er seine Lehre beendet hat.«
    »Er wird alle Hände
voll zu tun haben.« Ralph stand auf. »Wo ist er jetzt?« »Im Augenblick arbeitet
er am Nordportal der Kathedrale«, antwortete Vater. »Aber vielleicht isst er
auch gerade zu Mittag.« »Ich werde ihn schon finden.« Ralph küsste seine Eltern
und ging hinaus.
    Er kehrte zur
Priorei zurück und schlenderte über den Markt. Der Regen hatte aufgehört, und
die Sonne kam hin und wieder durch, ließ die Pfützen glitzern und die feuchten
Zeltdächer der Händler dampfen. Ralph sah ein vertrautes Profil, und sein Herz
setzte einen Schlag aus. Es waren die gerade Nase und das starke Kinn von Lady
Philippa. Sie war älter als Ralph, ungefähr fünfundzwanzig, schätzte er. Sie
stand bei einem Händler und schaute sich Seide aus Italien an. Ralph sog
förmlich in sich auf, wie das leichte Sommerkleid sich lüstern um ihre Hüfte
schmiegte. Er verneigte sich übertrieben galant vor ihr.
    Lady Philippa hob
den Blick und nickte flüchtig.
    »Schöner Stoff«,
bemerkte Ralph, um ein Gespräch anzufangen.
    »Ja.«
    In diesem
Augenblick näherte sich ihnen eine kleine Gestalt mit unordentlichem rotem
Haar: Merthin. Ralphs Gesicht strahlte vor Freude. »Das ist mein kluger älterer
Bruder«, erklärte er Lady Philippa.
    Merthin sagte zu
Philippa: »Kauft den blassgrünen — er passt zu Euren Augen.«
    Ralph zuckte
unwillkürlich zusammen. Man durfte eine vornehme Dame nicht auf solch
vertrauliche Art ansprechen.
    Allerdings schien
Philippa das nicht allzu viel auszumachen. In sanft tadelndem Tonfall sagte
sie: »Wenn ich die Meinung eines Jungen hören will, frage ich meinen Sohn.«
Doch während sie sprach, warf sie Merthin ein Lächeln zu, das man beinahe schon
kokett hätte nennen können.
    Ralph sagte: »Das
ist Lady Philippa, du Narr! Bitte verzeiht die Unverfrorenheit meines Bruders,
Mylady.« »Wie heißt du überhaupt?«
    »Ich bin Merthin
Fitzgerald, der Euch jederzeit zu Diensten steht, wann immer Ihr Euch nicht für
eine Seide entscheiden könnt.«
    Ralph packte
Merthin am Arm und zog ihn beiseite, ehe er noch dreister werden konnte. »Ich
weiß nicht, wie du das machst!«, sagte er mit einer Mischung aus Verzweiflung
und Bewunderung. »Aber der Stoff passt in der Tat zu ihren Augen, nicht wahr?
Hätte ich so etwas gesagt, sie hätte mich auspeitschen lassen.« Er übertrieb,
obwohl Philippa Respektlosigkeiten tatsächlich streng ahndete.
    Ralph wusste nicht,
ob er belustigt oder verärgert sein sollte, weil sie sich Merthin gegenüber so
nachsichtig gezeigt hatte.
    »So bin ich nun
mal«, sagte Merthin. »Der Traum aller Frauen.«
    Ralph hörte
Bitterkeit in Merthins Stimme. »Stimmt etwas nicht?«, fragte er. »Wie geht es
Caris?« »Ich habe etwas Dummes getan«, erwiderte Merthin. »Ich erzähl‘s dir
später. Schauen wir uns ein wenig um, solange die Sonne scheint.« Ralph
bemerkte einen Marktstand, wo ein Mönch mit aschblondem Haar Käse verkaufte.
    »Pass auf«, sagte
er zu Merthin. Er näherte sich dem Stand und sagte: »Das sieht schmackhaft aus,
Bruder. Wo kommt er her?«
    »Wir machen ihn in
St.-John-in-the-Forest. Es ist nur eine kleine Zelle, ein Ableger der Priorei
von Kingsbridge. Ich bin der Prior dort.
    Mein Name ist Saul
Whitehead.« »Allein der Anblick weckt schon den Hunger in mir. Ich wünschte,
ich könnte mir ein Stück leisten, aber der Graf zahlt uns Junkern keinen
Penny.« Der Mönch schnitt ein Stück aus dem Käselaib und gab es Ralph. »Dann
sollt Ihr ein Stück umsonst haben, im Namen Jesu«, sagte er. »Ich danke Euch,
Bruder Saul.« Als sie weitergingen, grinste Ralph Merthin an und sagte: »Siehst
du? Das war so leicht, wie einem Kind den Apfel zu klauen.« »Und ungefähr
genauso bewundernswert«, erwiderte Merthin.
    »Was für ein Narr,
dass er seinen Käse wegen solch einer Heulgeschichte weg gibt!«
    »Vermutlich ist es
ihm lieber, sich zum Narren zu machen, als das Risiko einzugehen, einem
Hungernden nicht geholfen zu haben.«
    »Was bist du heute
säuerlich! Wie kommt es, dass man dir Unverschämtheiten gegenüber einer
Edeldame gestattet, während ich nicht mal einen dummen

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