Die Tore der Welt
unterzubringen, während ein halbes Dutzend Ritter sich im Hospital einrichtete.
Ralph beeilte sich, Lady Philippa, Williams Frau, vom Pferd zu helfen. Sie war
eine große, gut aussehende Frau mit langen Beinen und üppigem Busen, und insgeheim
konnte Ralph die Blicke nicht von ihr lassen.
Nachdem die Pferde
untergebracht waren, ging Ralph seine Mutter und seinen Vater besuchen. Sie
lebten zinsfrei in einem kleinen Haus im Südwesten der Stadt, nahe am Fluss in
einem Viertel, in dem die Luft verpestet war vom Gestank der hier beheimateten
Gerbereien. Als Ralph sich dem Haus näherte, schauderte er vor Scham in seiner
rot-schwarzen Uniform. Er war zutiefst dankbar, dass Lady Philippa nicht sah,
unter welch unwürdigen Umständen seine Eltern lebten.
Ralph hatte die
beiden seit einem Jahr nicht mehr gesehen, und sie wirkten deutlich gealtert.
Im Haar seiner Mutter war immer mehr Grau, und sein Vater verlor allmählich das
Augenlicht. Sie gaben ihm Apfelmost von den Mönchen und wilde Erdbeeren, die
Mutter im Wald gesammelt hatte. Sir Gerald bewunderte Ralphs Waffenrock. »Hat
der Graf dich schon zum Ritter geschlagen?«, fragte er eifrig.
Jeder Knappe war
begierig darauf, Ritter zu werden, und Ralph war sogar noch ehrgeiziger als die
meisten anderen. Sein Vater war nie über die Demütigung hinweg gekommen, die er
vor zehn Jahren hatte erleiden müssen, als man ihn vom Ritter zu einem Muntling
der Priorei degradiert hatte. Auch Ralph hatte dieser Tag gleichsam wie ein
Pfeil ins Herz getroffen, und der Schmerz würde erst nachlassen, wenn er die
Ehre seiner Familie wiederhergestellt hatte.
Doch nicht alle
Knappen wurden zu Rittern geschlagen. Trotzdem sprach Vater stets so, als wäre
das in Ralphs Fall nur eine Frage der Zeit.
»Noch nicht«,
antwortete Ralph nun. »Aber es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis wir gegen
Frankreich in den Krieg ziehen, und das wird meine Chance sein.« Er sagte es
eher beiläufig, denn er wollte sich nicht anmerken lassen, wie begierig er war,
sich in der Schlacht zu beweisen.
Mutter jedoch war
angewidert. »Warum wollen Ritter immer nur Krieg?« Vater lachte. »Dafür sind
wir Männer geboren.« »Nein, seid ihr nicht«, widersprach sie ihm. »Als ich
Ralph unter Schmerzen das Leben schenkte, geschah es nicht in der Absicht, dass
ihm einst das Schwert eines Franzosen den Kopf abschlägt oder ein Armbrustbolzen
das Herz durchbohrt.« Vater winkte verächtlich ab und fragte Ralph: »Wie kommst
du darauf, dass es Krieg geben wird?« »König Philip von Frankreich hat die
Gascogne annektiert.« »Ah! Das können wir uns nicht bieten lassen.« Seit
Generationen herrschten die englischen Könige nun schon über dieses Gebiet im
Westen Frankreichs. Sie hatten den Kaufleuten von Bordeaux und Bayonne, die
mehr mit London als mit Paris Geschäfte machten, Handelsprivilegien eingeräumt.
Trotzdem gab es immer wieder Ärger.
Ralph sagte: »König
Edward hat Gesandte nach Flandern geschickt, um neue Bündnisse zu schließen.«
»Verbündete könnten
aber Geld fordern.« »Deshalb ist Graf Roland nach Kingsbridge gekommen. Der
König will sich von den Wollhändlern Geld leihen.« »Wie viel?« »Man spricht von
zweihunderttausend Pfund landesweit, als Vorschuss auf die Wollsteuer.« Düster
bemerkte Mutter: »Der König sollte lieber aufpassen, dass er die Wollhändler
nicht zu Tode besteuert.« Vater sagte: »Die Kaufleute haben genug Geld — schau
dir nur ihre feinen Kleider an.«
Bitterkeit schwang
in seiner Stimme mit, und Ralph bemerkte erst jetzt, dass Sir Gerald ein
verschlissenes Leinenunterhemd und alte Schuhe trug. »Außerdem wollen sie, dass
wir die französische Flotte davon abhalten, ihren Handel zu stören.« Das ganze
letzte Jahr hatten französische Schiffe immer wieder Städte an der Südküste
Englands überfallen, die Häfen geplündert und vor Anker liegende Schiffe
abgefackelt.
»Die Franzosen
greifen uns an, und wir greifen die Franzosen an«, sagte Mutter. »Aber was ist
der Sinn von alledem?«
»Frauen werden das
nie verstehen«, erwiderte Vater.
»Das ist wohl
wahr«, gab sie schnippisch zurück.
Ralph wechselte das
Thema. »Wie geht es meinem Bruder?« »Er ist ein guter Handwerker«, antwortete
sein Vater und hörte sich dabei an wie ein Pferdehändler, der ein viel zu
kleines Pony als hervorragendes Reittier für Frauen anpries.
Mutter sagte: »Er
ist bis über beide Ohren verliebt in Edmund
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