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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Stadt. Philemon kam, doch Caris lehnte die Einladung ab: Sie führte ein
beunruhigend zurückgezogenes Leben.
    Merthin saß neben
Madge Webber. Sie war nun unter allen Kaufleuten am reichsten und der größte
Arbeitgeber in Kingsbridge, vielleicht sogar in der ganzen Grafschaft. Sie war
stellvertretende Ratsälteste und hätte eigentlich sogar dem Rat vorstehen
sollen, wäre es nicht unüblich gewesen, dass eine Frau dieses Amt bekleidete.
    Zu Merthins vielen
Unternehmungen gehörte eine Werkstatt, in der die Pedalwebstühle gefertigt
wurden, mit denen sich die Qualität des Kingsbridger Scharlachtuchs hatte
steigern lassen. Madge erwarb mehr als die Hälfte der Maschinen aus Merthins
Produktion. Den Rest sicherten sich unternehmungslustige Kaufleute, die dafür
selbst aus London herkamen. Die Webstühle waren komplizierte Maschinen, die auf
Maß gefertigt und präzise zusammengebaut werden mussten, sodass Merthin darauf
angewiesen war, die besten Zimmerleute zu beschäftigen, die er bekommen konnte.
Für einen fertigen Webstuhl verlangte er mehr als das Doppelte dessen, was ihn
die Herstellung kostete, welche nicht gerade billig war, und dennoch konnten
die Leute kaum abwarten, ihm das Geld dafür auf den Tisch zu legen.
    Von mehreren Seiten
wurde ihm angedeutet, dass er Madge heiraten solle, doch die Idee reizte weder
ihn noch sie. Sie hatte nie einen Mann finden können, der an ihren Mark
heranreichte, welcher den Körperbau eines Riesen und das Gemüt eines Heiligen
besessen hatte. Sie war immer stämmig gewesen, doch mittlerweile schlichtweg
dick geworden. Sie hatte die vierzig überschritten und entwickelte sich zu
einer jener Frauen, die wie Fässer aussahen und von Schultern bis Hinterteil
überall den gleichen Umfang maßen. Gut zu essen und zu trinken ist nun ihr
Hauptvergnügen, dachte Merthin, während er zusah, wie sie sich an
Ingwerschinken mit einer Soße aus Äpfeln und Nelken gütlich tat. Das und das
Geldverdienen.
    Am Ende des
Festmahls gab es einen Würzwein, der Hippocras genannt und erhitzt getrunken
wurde. Madge nahm einen langen Zug, rülpste und rückte auf der Bank näher zu
Merthin. »Wir müssen etwas wegen des Hospitals unternehmen«, sagte sie.
    »Aha?« Er war
keiner Schwierigkeiten gewahr. »Ich hätte angenommen, dass die Leute jetzt, wo
die Pest vorüber ist, ein Hospital nicht mehr so dringend brauchten.«
    »Aber natürlich
brauchen sie es«, erwiderte sie schnippisch. »Sie bekommen immer noch Fieber,
Bauchschmerzen und Ausschlag. Frauen wollen schwanger werden und können es
nicht, oder sie haben eine komplizierte Geburt. Kinder verbrennen sich und
fallen vom Baum. Männer werden vom Pferd abgeworfen und von ihren Feinden
niedergestochen, oder ihnen wird von ihrem zornigen Weib der Schädel
eingeschlagen … «
    »Ja, ich verstehe
schon«, sagte Merthin, amüsiert von ihrer Weitschweifigkeit. »Was liegt denn
nun im Argen?«
    »Niemand will mehr
ins Hospital gehen. Die Leute mögen Bruder Sime nicht, und vor allem vertrauen
sie nicht auf seine Methoden. Während wir gegen die Pest kämpften, hat er in
Oxford gesessen und uralte Bücher studiert, und er wendet noch immer Heilmittel
wie Aderlass und Schröpfen an, an die niemand mehr glaubt. Die Leute wollen zu
Caris — aber sie kommt nie ins Hospital.«
    »Was tun die Leute,
wenn sie krank werden, aber nicht ins Hospital wollen?«
    »Sie gehen zu
Matthew Barber, zu Silas Pothecary oder einer Neuen in der Stadt namens Maria
Wisdom, die sich auf Frauenleiden spezialisiert hat.«
    »Und das bereitet
Euch Sorge?«
    »Die Leute murren
schon gegen die Priorei. Wenn sie von den Mönchen und Nonnen keine Hilfe mehr
bekommen, fragen sie, warum sollen sie dann für den Bau des Kirchturms zahlen?«
    »Oh.« Der Turm war
ein gewaltiges Projekt. Nur wenn Mönchskloster, Nonnenkloster und Stadt sich
gemeinsam daran beteiligten, ließ er sich bezahlen. Wenn die Stadt ihren
Beitrag nicht mehr leistete, war das Vorhaben in Gefahr. »Ja, ich verstehe«,
sagte Merthin besorgt. »Das ist allerdings eine missliche Lage.«
     
    Für die meisten
Leute ist es ein gutes Jahr gewesen, dachte Caris, als sie an Weihnachten im
Hochamt saß. Die Menschen gewöhnten sich erstaunlich rasch an die Verwüstungen,
die die Pest hinterließ. Der Schwarze Tod hatte nicht nur entsetzliches Leid
und beinahe den Zusammenbruch der Zivilisation gebracht, sondern auch die Gelegenheit
zu einer Neuordnung. Nach

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