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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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an, dass sie
richtig lag. »Ihr und er habt konspiriert, um mich hinauszudrängen.
    Damit hattet Ihr
Erfolg — nun müsst Ihr mit den Konsequenzen leben.« »Ich könnte Sime
befehlen, wieder auszuziehen. Dann hätten wir wieder die alten Bedingungen.«
Caris schüttelte den Kopf. »Es hat sich noch mehr verändert. Durch die Pest
habe ich vieles gelernt. Ich bin mir sicherer denn je, dass die Methoden der
Ärzte tödlich sein können. Um eines Kompromisses willen werde ich keine
Menschen töten.« »Ihr begreift nicht, wie viel auf dem Spiel steht.«
    Er wirkte leicht
selbstgefällig.
    Da war also noch
etwas. Caris hatte sich gewundert, weshalb er das Thema angesprochen hatte. Es
sah ihm nicht ähnlich, sich über das Hospital Gedanken zu machen: Die
Krankenfürsorge hatte ihm nie sehr gelegen. Ihn interessierte nur, was seine
Stellung erhöhte und seinen zerbrechlichen Stolz schützte. »Also gut«, fragte
sie, »was wäre dann noch?«
    »Die Städter reden
davon, die Mittel für den neuen Turm zu streichen. Warum sollten sie zusätzlich
für die Kathedrale zahlen, fragen sie, wenn sie von uns nicht bekommen, was sie
wollen? Und da Kingsbridge nun freie Stadt ist, kann ich als Prior die
Zahlungen nicht mehr erzwingen.«
    »Und wenn sie nicht
zahlen …?«
    »… wird Euer
geliebter Merthin seine Herzenssache aufgeben müssen«, sagte Philemon
genüsslich.
    Caris verstand,
weshalb er glaubte, sie damit umstimmen zu können. Und tatsächlich hatte es
einmal eine Zeit gegeben, in der sie von dieser Offenbarung erschüttert worden
wäre. Doch auch das lag zurück. »Merthin ist nicht mehr mein Geliebter«,
erwiderte sie. »Auch das habt Ihr unterbunden.«
    Ein panischer
Ausdruck zuckte über sein Gesicht. »Aber der Turm ist auch Herzenssache des
Bischofs — das könnt Ihr nicht aufs Spiel setzen!«
    Caris stand von dem
Mäuerchen auf. »Nein?«, fragte sie. »Wieso nicht?« Sie wandte sich ab und
schlug den Weg zum Nonnenkloster ein.
    Philemon war
entgeistert. Er rief ihr nach: »Wie könnt Ihr nur so herzlos sein?«
    Sie wollte ihn
ignorieren, doch dann besann sie sich und entschied, es ihm zu erklären. Sie
wandte sich zu Philemon um. »Seht Ihr, alles, was mir je teuer war, ist mir
genommen worden«, sagte sie in nüchternem Tonfall. »Und wenn man alles verloren
hat … «
    Caris‘ Fassade
bröckelte, ihre Stimme brach, doch sie zwang sich weiter zu reden.
»Wenn man alles verloren hat, dann hat man nichts mehr zu verlieren.«
     
    Im Januar fiel der
erste Schnee. Er bildete eine dicke Haube auf dem Dach der Kathedrale, glättete
die zierlichen eingeritzten Bilder an den Türmchen und bedeckte die Gesichter
der Engel und Heiligen über dem Westportal. Das neue Mauerwerk der Turmfundamente
war mit Stroh abgedeckt worden, um den frischen Mörtel vor dem Winterfrost zu
schützen, und nun lag der Schnee auf dem Stroh.
    In einer Priorei
gab es nur wenige Feuerstellen. Die Küche hatte natürlich Feuer, weshalb die
Küchenarbeit bei Novizinnen und Novizen immer beliebt war. Die Kathedrale
hingegen, in der Mönche und Nonnen jeden Tag sieben bis acht Stunden
verbrachten, war unbeheizt. Wenn Kirchen niederbrannten, dann gewöhnlich, weil
ein verzweifelter Mönch ein Kohlebecken mit ins Gebäude gebracht hatte und ein
Funke aus der Glut an die Holzdecke geflogen war.
    Weilten Mönche und
Nonnen nicht in der Kirche oder arbeiteten, erwartete man von ihnen, dass sie
im Kreuzgang wandelten und lasen, im Freien also. Das einzige Zugeständnis an
ihr Behagen war die Wärmstube, eine kleine Kammer abseits des Kreuzgangs, wo
bei schlimmstem Wetter ein Feuer entzündet wurde. Man durfte sich für eine
kleine Weile aus dem Kreuzgang in die Wärmstube zurück ziehen.
    Wie üblich
ignorierte Caris Regeln und Traditionen und gestattete den Nonnen, im Winter
Wollhosen zu tragen. Sie glaubte nicht daran, dass Gott von seinen Bräuten
erwartete, sich in seinem Dienst Frostbeulen zu zu ziehen.
    Bischof Henri
machte sich solche Sorgen um das Hospital — oder eher um seinen Turm —, dass er
trotz Schnees von Shiring nach Kingsbridge reiste. Er kam in einer Charette,
einer schweren Holzkutsche mit einem Dach aus gewachstem Leintuch und mit gepolsterten
Sitzen. Kanonikus Claude und Erzdiakon Lloyd begleiteten ihn. Sie gönnten sich
im Priorspalast nur gerade so viel Rast, dass sie ihre Kleider trocknen und zum
Aufwärmen einen Becher Wein trinken konnten, dann beriefen sie eine

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