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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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unternehmen wollte. Zu Caris‘ Erleichterung sagte er nichts und ließ sie auf
ihrem Zimmer schmoren: Mürrische Heranwachsende am Esstisch konnten jedem die
Laune verderben.
    Sie aßen
Hammelbraten mit Lauch. Merthin schenkte Rotwein ein, und Philippa trank
durstig. Sie war dem Wein nun sehr zugeneigt. Vielleicht spendete der Rebensaft
ihr Trost.
    Während sie aßen,
kam Em mit angespanntem Gesicht herein.
    »An der Küchentür
ist jemand, der die Herrin sprechen möchte«, sagte sie.
    Merthin fragte
ungeduldig: »Nun, und wer ist es?« »Er will seinen Namen nicht nennen, aber er
sagt, die Herrin würde ihn kennen.«
    »Was ist das für
ein Mensch?«
    »Ein junger Mann.
Nach seiner Kleidung ein Bauer, kein Städter.«
    Gegenüber Dörflern
empfand Em eine herablassende Abneigung.
    »Nun, er klingt
harmlos. Lass ihn hereinkommen.« Im nächsten Moment trat eine hochgewachsene
Gestalt ein, deren Gesicht unter einer Kapuze im Schatten lag. Als sie
zurückgezogen wurde, erkannte Caris Gwendas Ältesten, Sam.
    Caris kannte ihn,
solange er lebte. Sie war bei seiner Geburt dabei gewesen und hatte beobachtet,
wie sein schleimiges Köpfchen aus dem kleinen Leib seiner Mutter hervorkam. Sie
hatte zugesehen, wie er heranwuchs, sich veränderte und zum Mann wurde.
    Heute merkte sie
ihm an der Art, wie er ging und stand und leicht die Hand hob, wenn er etwas
sagen wollte, Wulfric an. Sie hatte immer vermutet, dass Wulfric gar nicht sein
Vater sei — aber obwohl sie Gwenda so nahestand, hatte sie ihre Zweifel nie erwähnt.
Gewisse Fragen ließ man lieber ungestellt. Dennoch, ihr Verdacht war unweigerlich
zurückgekehrt, als sie hörte, dass Sam wegen Mordes an Jonno Reeve gesucht
wurde. Denn bei seiner Geburt hatte Sam ausgesehen wie Ralph.
    Er trat auf Caris
zu, hob die Hand in jener bekannten Gebärde Wulfrics, zögerte und ließ sich vor
ihr auf ein Knie nieder. »Bitte, helft mir«, sagte er.
    Caris war entsetzt.
»Wie soll ich dir helfen?« »Versteckt mich. Ich bin seit Tagen auf der Flucht.
Noch im Dunkeln hab ich Oldchurch verlassen und bin durch die Nacht gegangen
und habe seither kaum je geruht. Eben wollte ich in einer Schänke was zu essen
kaufen, aber jemand hat mich erkannt, und ich musste fliehen.« Er sah so
verzweifelt aus, dass Caris eine Woge des Mitleids befiel. Dennoch rief sie:
»Aber ich kann dich hier nicht verstecken. Du wirst wegen Mordes gesucht!« »Es
war kein Mord, es war ein Kampf. Jonno hat zuerst zugeschlagen. Er hat mich mit
einem Fußeisen angegriffen — seht, hier.« Sam berührte an zwei Stellen sein
Gesicht. An Ohr und Nase waren verschorfte Wunden.
    Die Ärztin in Caris
kam nicht umhin festzustellen, dass die Verletzungen vielleicht fünf Tage alt
waren und die Nase gut heilte, während das Ohr dringend genäht werden musste.
Ihr eigentlicher Gedanke aber lautete, dass Sam nicht bei ihnen sein durfte.
»Du musst dich der Gerechtigkeit stellen«, sagte sie.
    »Die stehen doch
alle auf Jonnos Seite, was sonst. Ich bin aus Wigleigh weggelaufen, weil ich in
Outhenby höheren Lohn bekomme. Jonno hat versucht, mich zurückzuholen. Sie
werden sagen, er hätte das Recht gehabt, einen Landflüchtigen in Ketten zu
legen.«
    »Das hättest du dir
überlegen sollen, ehe du zugeschlagen hast.«
    Anklagend rief er:
»Ihr habt doch selbst Landflüchtige in Outhenby beschäftigt, als Ihr noch
Priorin wart!« Caris war betroffen, aber sie entgegnete: »Landflüchtige — ja;
Mörder — nein.« »Sie werden mich aufhängen.«
    Caris fühlte sich
hin- und hergerissen. Wie konnte sie ihn nur abweisen? Merthin ergriff das
Wort. »Es gibt zwei Gründe, weshalb du dich hier nicht verstecken kannst, Sam.
Erstens ist es ein Verbrechen, einen flüchtigen Täter zu verbergen, und ich bin
nicht bereit, um deinetwillen das Gesetz zu brechen, so teuer mir deine Mutter
auch ist. Zweitens weiß aber jeder, dass deine Mutter eine alte Freundin von
Caris ist, und wenn die Kingsbridger Büttel nach dir suchen, dann schauen sie
hier zuerst nach.« »Wirklich?«, fragte Sam.
    Caris wusste, dass
er nicht sehr helle war — den meisten Verstand hatte sein Bruder Davey
abbekommen.
    »Es gäbe kaum ein
schlechteres Versteck für dich als unser Haus«, sagte Merthin. »Trink einen
Becher Wein, nimm einen Laib Brot mit, und dann verlass die Stadt«, fügte er
freundlicher hinzu. »Ich muss Mungo Constable aufsuchen und melden, dass du
hier warst, aber ich kann mir Zeit

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