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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dafür nehmen.« Er goss Wein in einen hölzernen
Becher.
    »Danke.«
    »Deine einzige
Hoffnung ist, weit fortzugehen, an einen Ort, wo man dich nicht kennt, und ein
neues Leben anzufangen. Du bist kräftig, du findest immer Arbeit. Geh nach
London, melde dich auf ein Schiff. Und lass dich nicht auf Streit ein.«
    Philippa sagte
plötzlich: »Ich erinnere mich an deine Mutter … Gwenda heißt sie?«
    Sam nickte.
    Philippa wandte
sich Caris zu. »Ich habe sie in Casterham kennengelernt, als William noch
lebte. Sie kam wegen des Mädchens in Wigleigh zu mir, das von Ralph geschändet
worden war.«
    »Annet.«
    »Richtig.« Philippa
wandte sich Sam wieder zu. »Du musst der Junge sein, den sie damals in den
Armen hielt. Deine Mutter ist eine gute Frau. Um ihretwillen bedaure ich sehr,
dass du in Schwierigkeiten steckst.«
    Einen Augenblick
lang herrschte Stille. Sam leerte den Becher Wein. Caris sann, wie ohne Zweifel
auch Philippa und Merthin, darüber nach, wie das Verstreichen der Zeit einen
unschuldigen, geliebten Säugling in einen Mann verwandeln konnte, der einen
Mord beging.
    In der Stille
hörten sie Stimmen.
    Es klang, als
näherten sich mehrere Männer der Küchentür.
    Sam warf den Kopf nach
links und rechts wie ein Bär in der Falle.
    Eine Tür führte in
die Küche, die andere vors Haus. Er schoss zur Vordertür, riss sie auf und rannte
hinaus. Ohne innezuhalten, floh er hinunter zum Fluss.
    Im nächsten Moment
öffnete Em die Küchentür, und Mungo Constable kam in den Speisesaal. Vier
Hilfsbüttel drängten sich hinter ihm. Alle trugen Holzknüppel.
    Merthin wies auf
die Vordertür. »Er ist gerade hindurch.« »Ihm nach, Jungs«, sagte Mungo. Sie
hasteten durch den Saal und hetzten zur Tür hinaus.
    Caris erhob sich
und eilte nach draußen. Die anderen folgten ihr.
    Das Haus stand auf
einem niedrigen, felsigen Steilufer, das nur etwa drei oder vier Fuß aus dem
Wasser ragte. Am Fuße der kleinen Felswand wirbelte der Fluss vorbei. Zur
Linken überspannte Merthins Brücke anmutig das Wasser, zur Rechten lag ein
schlammiger Strand. Am anderen Ufer spross an den Bäumen auf dem alten Pestfriedhof
das erste Laub. Zu beiden Seiten des Friedhofs hatten sich ärmliche kleine
Vorstadtkaten wie Unkraut ausgebreitet.
    Sam hätte sich nach
links oder rechts wenden können, und Caris sah mit einem Gefühl der
Verzweiflung, dass er die falsche Wahl getroffen hatte: Er war nach rechts
gerannt, und dieser Weg führte nirgendwohin. Er lief über das Uferland, seine
Stiefel hinterließen tiefe Abdrücke im Schlamm. Wie Hunde einen Hasen hetzten
ihn die Büttel. Caris tat es um Sam leid, wie sie auch immer Mitleid für den
Hasen empfand. Mit Gerechtigkeit hatte es nichts zu tun, nur mit der Frage, wer
das Opfer war.
    Als Sam sah, dass
er nicht weiterkam, watete er ins Wasser.
    Mungo war auf dem
gepflasterten Fußweg vor dem Haus geblieben, und nun wandte er sich in die
andere Richtung, zur Linken, und rannte zur Brücke.
    Zwei Hilfsbüttel
ließen die Knüppel fallen, zogen die Stiefel aus, legten die Mäntel ab und
sprangen in Unterkleidung ins Wasser. Die beiden anderen blieben am Ufer
stehen, entweder weil sie nicht schwimmen konnten, oder weil sie an einem
kalten Tag nicht in den Fluss springen wollten. Die beiden Schwimmer setzten
Sam nach.
    Sam war kräftig,
aber sein schwerer Wintermantel war bald durchtränkt und zog ihn in die Tiefe.
Caris beobachtete mit gebanntem Entsetzen, wie die Hilfsbüttel aufholten.
    Aus der anderen
Richtung kam ein Ruf. Mungo hatte die Brücke erreicht und rannte hinüber, aber
er war stehen geblieben und winkte die beiden Nichtschwimmer zu sich. Sie sahen
sein Signal und rannten ihm nach, während Mungo weiter die Brücke überquerte.
    Sam erreichte das
andere Ufer, unmittelbar bevor die Schwimmer ihn einholten. Er kam auf die Füße
und stapfte durchs seichte Wasser. Aus der Kleidung rann ihm das Wasser, und er
schüttelte ruckartig den Kopf. Als er sich umwandte, sah er, dass ein
Hilfsbüttel ihn fast erreicht hatte. Der Mann taumelte und bekam das Übergewicht
nach vorn, worauf Sam ihm mit einem schweren, triefnassen Stiefel ins Gesicht
trat. Der Mann schrie auf und platschte rücklings ins Wasser.
    Der zweite
Hilfsbüttel war vorsichtiger. Er trat auf Sam zu und blieb außer Reichweite
stehen. Sam wandte sich um und eilte davon. Er erreichte das Ufer vor dem
Pestfriedhof, doch der Hilfsbüttel kam ihm nachgelaufen. Als

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