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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gab ihm das
Geld. »Der Graf wird mich empfangen wollen«, sagte sie so nachdrücklich, wie
sie konnte.
    Der Hausmeier
steckte die Münzen ein.
    Gwenda kehrte auf
den Hof zurück, ohne zu wissen, ob sie ihr Geld verschwendet hatte.
    Im nächsten Moment
sah sie eine vertraute Gestalt mit kleinem Kopf auf breiten Schultern: Alan
Fernhill. Welch ein Glück. Er ging vom Stall zur Halle. Die anderen Bittsteller
erkannten ihn nicht.
    Gwenda stellte sich
ihm in den Weg. »Hallo, Alan«, sagte sie. »Ich heiße jetzt Sir Alan.«
    »Meinen
Glückwunsch. Werdet Ihr Ralph sagen, dass ich ihn sprechen möchte?«
    »Weshalb, das
brauche ich wohl nicht zu fragen.« »Sagt ihm, ich möchte ihn allein sprechen.«
    Alan zog eine
Augenbraue hoch. »Nimm es mir nicht übel, aber beim letzten Mal warst du noch
ein junges Mädchen. Heute bist du zwanzig Jahre älter.«
    »Meint Ihr nicht,
dass solltet Ihr lieber ihn entscheiden lassen?« »Natürlich.« Er grinste
beleidigend. »Ich weiß, dass er sich an diesen Nachmittag im Bell heute noch
erinnert.« Alan war natürlich dabei gewesen. Er hatte zugesehen, wie Gwenda ihr
Kleid auszog, und ihren nackten Körper angestarrt. Er hatte beobachtet, wie sie
zum Bett ging und sich, von ihm abgewandt, auf den Strohsack kniete. Er hatte
rau gelacht, als Ralph sagte, von hinten sehe sie besser aus als von vorn.
    Sie verbarg ihren
Abscheu und die Beschämung, die sie noch heute empfand. »Ich hatte gehofft,
dass er noch daran denkt«, sagte sie so gleichgültig, wie sie konnte.
    Die anderen
Bittsteller erkannten, dass Alan jemand Wichtiges sein musste. Sie scharten
sich um ihn, sprachen ihn an, flehten und bettelten. Er stieß die Leute grob
beiseite und ging in die Halle.
    Gwenda richtete
sich aufs Warten ein.
    Nach einer Stunde
stand fest, dass Ralph sie nicht vor dem Essen empfangen würde. Sie fand einen
Flecken, der nicht allzu schlammig war, und setzte sich an eine Steinmauer,
aber sie nahm niemals die Augen vom Eingang zur Halle.
    Eine zweite Stunde
verstrich und eine dritte. Das Mittagessen von Edelleuten dehnte sich oft bis
in den Nachmittag aus. Gwenda fragte sich, wie Adlige so lange immerfort essen
und trinken konnten. Mussten sie nicht irgendwann platzen?
    Sie hatte den
ganzen Tag lang nichts gegessen, aber sie war zu angespannt, um Hunger zu
verspüren.
    Es war graues Aprilwetter,
und der Himmel wurde schon früh dunkel. Gwenda bibberte auf dem kalten Boden,
aber sie blieb, wo sie war. Eine zweite Gelegenheit würde sie nicht erhalten.
    Diener kamen heraus
und entzündeten Fackeln im Hof. Hinter den Läden einiger Fenster war Licht zu
sehen. Die Nacht brach an, und Gwenda begriff, dass bis zum Sonnenaufgang nur
noch zwölf Stunden übrig waren. Sie dachte an Sam, der in einer Zelle unter der
Burg auf dem Boden saß, und fragte sich, ob er fror. Gwenda kämpfte mit den
Tränen.
    Es ist noch nicht
vorbei, sagte sie sich, aber ihr Mut schwand.
    Eine hohe Gestalt
verdeckte das Licht der nächsten Fackel. Als Gwenda aufblickte, sah sie Alan.
Ihr Herz machte einen Satz.
    »Komm mit«, sagte
er.
    Sie sprang auf und
wollte zur Tür der Halle gehen. »Nicht diesen Weg.« Gwenda sah ihn fragend an.
    »Unter vier Augen,
hast du doch gesagt, richtig?«, fragte Alan. »In dem Gemach, das er mit der
Gräfin teilt, wird er dich kaum empfangen. Komm hier entlang.«
    Sie folgte ihm
durch eine kleine Tür bei den Ställen. Er führte sie durch mehrere Räume, dann
eine Treppe hinauf. Schließlich öffnete Alan Fernhill die Tür zu einer engen
Schlafkammer. Gwenda ging hinein. Alan folgte ihr nicht, sondern schloss die
Tür von außen.
    Das Zimmer war
niedrig, und eine Bettstatt nahm fast den ganzen Platz ein. Ralph stand im
Unterhemd am Fenster. Seine Stiefel und Oberkleidung lagen auf dem Fußboden.
Sein Gesicht war vom Trinken gerötet, doch er sprach mit klarer, ebenmäßiger
Stimme.
    »Zieh dich aus«,
sagte er mit erwartungsvollem Lächeln.
    »Nein«, erwiderte
Gwenda.
    Er sah sie erstaunt
an.
    »Ich ziehe mich
nicht aus«, sagte sie.
    »Warum hast du Alan
dann gesagt, du willst mich allein sehen?« »Damit Ihr denkt, ich wollte mit
Euch schlafen.« »Aber wenn du nicht… Warum bist du dann hier?« »Um Euch
anzuflehen, den König um Gnade zu ersuchen.« »Aber du bietest dich mir nicht
an?«
    »Warum sollte ich? Das habe ich schon
einmal getan, und es hat nichts geholfen. Ihr habt Euch nicht an Euer
Versprechen gehalten. Ich gab

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