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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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heruntergekommen. Noch einige
Tage später, als Merthin und Caris sie zum Abschied küssten und nach Shiring
aufbrachen, hatte sie geschmollt.
    Merthin fühlte sich
schuldig. Er hatte sie schroff behandelt und fortgetrieben. Sah Silvias Geist
zu und zürnte ihm für sein Versagen an ihrer Tochter?
    Wieder dachte er an
Lollas übel beleumdete Freunde. »Da steckt dieser Jake Riley hinter«, sagte er.
»Hast du mit ihm gesprochen, Arn?«
    »Nein, Herr.«
    »Dann tue ich es am
besten sofort. Weißt du, wo er wohnt?« »Er wohnt neben dem Fischhändler hinter
der Kirche von St. Paul.«
    »Ich komme mit«,
sagte Caris zu Merthin.
    Über die Brücke
gelangten sie in die Stadt und gingen nach Westen. Die Gemeinde von St. Paul
umfasste das Gewerbe am Flussufer: Schlachthäuser, Gerbereien, Sägemühlen,
Manufakturen und die Färberbetriebe, welche seit der Erfindung des Kingsbridger
Scharlachs wie die Septemberpilze aus dem Boden geschossen waren. Merthin hielt
auf den gedrungenen Turm der Kirche von St. Paul zu, der über die niedrigen
Hausdächer hinweg zu sehen war. Den Fischhändler fand er mithilfe des Geruchs
und klopfte an die Tür des großen, heruntergekommenen Hauses nebenan.
    Sal Sawyers öffnete
ihm, die arme Witwe eines Aushilfszimmermanns, der an der Pest gestorben war.
»Jake kommt und geht, Ratsältester«, sagte sie. »Ich habe ihn eine ganze Woche
nicht gesehen. Er kann tun, was er will, solange er die Miete zahlt.«
    Caris fragte: »Als
er ging, war Lolla da bei ihm?« Sal warf einen besorgten Seitenblick auf
Merthin. »Ich urteile nicht gern über andere«, sagte sie.
    »Sagt mir nur, was
Ihr wisst«, erwiderte Merthin. »Ich nehme keinen Anstoß.«
    »Gewöhnlich ist sie
bei ihm. Sie tut alles, was Jake will, mehr sage ich nicht. Wenn Ihr ihn sucht,
findet Ihr sie.« »Wisst Ihr, wohin er gegangen sein könnte?« »Er sagt mir nie
etwas.«
    »Fällt Euch jemand
ein, der etwas wissen könnte?« »Außer ihr bringt er niemanden mit hierher. Aber
ich glaube, seine Freunde sind gewöhnlich im White Horse zu finden.« Merthin
nickte. »Dann versuchen wir es dort. Ich danke Euch, Sal.« »Sie fängt sich
wieder«, sagte Sal. »Sie ist nur in einem wilden Alter.« »Ich hoffe, Ihr habt
recht.«
    Merthin und Caris
kehrten den Weg zurück, den sie gekommen waren, bis sie das White Horse
erreichten, das unweit der Brücke am Flussufer stand. Merthin trat die Orgie
vor Augen, deren Zeuge er hier zur Hochzeit des Schwarzen Todes geworden war,
als der sterbende Davey Whitehorse seine Bierbestände verschenkte. Das
Wirtshaus hatte danach mehrere Jahre lang leer gestanden, war heute aber wieder
eine belebte Schänke. Merthin fragte sich, weshalb sie so beliebt war. Die
Räumlichkeiten waren eng und schmuddelig, und es kam regelmäßig zu
Streitigkeiten. Ungefähr einmal im Jahr wurde dabei jemand getötet.
    Sie kamen in eine
funzelige Gaststube. Es war erst früher Nachmittag, doch etwa ein Dutzend
vereinzelte Zecher saßen bereits auf den Bänken. Eine kleine Gruppe scharte
sich um ein Puffbrett, und mehrere Stapel von Silberpennys auf dem Tisch
deuteten daraufhin, dass auf das Ergebnis des Spiels Geld geboten wurde. Eine
rotwangige Hure namens Joy blickte hoffnungsvoll auf, als die neuen Gäste eintraten,
sah, wer es war, und versank wieder in gelangweilte Gleichgültigkeit. In einer
Ecke zeigte ein Mann einer Frau einen teuer aussehenden Mantel, den er offenbar
zum Verkauf anbot; doch als er Merthin sah, faltete er das Kleidungsstück rasch
zusammen und verbarg es unter dem Tisch. Merthin nahm an, dass es sich um
Diebesgut handelte.
    Der Wirt, der Evan
hieß, saß an einem späten Frühstück aus gebratenem Speck. Er stand auf, wischte
sich die Hände am Kittel ab und sagte nervös: »Einen guten Tag wünsche ich
Euch, Ratsältester — eine Ehre, Euch in meinem Haus zu sehen. Darf ich Euch
einen Krug Bier zapfen?«
    Merthin ging gar
nicht darauf ein. »Ich suche meine Tochter Lolla.« »Ich habe sie seit einer
Woche nicht mehr gesehen«, sagte Evan.
    Sal hatte genau das
Gleiche von Jake behauptet, erinnerte sich Merthin. »Sie könnte bei Jake Riley
sein«, sagte er.
    »Ja, mir ist
aufgefallen, dass sie befreundet sind«, antwortete Evan taktvoll. »Er ist
ungefähr die gleiche Zeit weg.«
    »Wisst Ihr, wohin
sie wollten?«
    »Er macht nicht
gern den Mund auf, dieser Jake«, erklärte Evan.
    »Wenn Ihr ihn
fragt, wie weit es bis Shiring ist, dann

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