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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kranken zu essen bekommen, wenn sie in ihren Häusern gefangen
sitzen?«
    »Die Nachbarn
können Essen auf der Türschwelle zurücklassen. Niemand soll hineingehen — außer
Mönchsärzten und Nonnen. Sie werden die Kranken besuchen, aber sie dürfen nicht
mit den Gesunden in Berührung kommen. Sie gehen von der Priorei zu dem Haus und
von dem Haus zurück zur Priorei, ohne ein anderes Gebäude zu betreten und auch
nur mit jemandem auf der Straße zu sprechen. Die ganze Zeit sollten sie Masken
tragen und sich jedes Mal, wenn sie einen Kranken berührt haben, die Hände mit
Essig waschen.«
    Sime wirkte
verängstigt. »Wird uns das schützen?«, fragte er. »In einem gewissen Maß«,
antwortete Caris. »Nicht vollkommen.«
    »Aber dann ist es
für uns höchst gefährlich, die Kranken zu behandeln!« Oonagh antwortete ihm.
»Wir haben keine Furcht«, sagte sie. »Wir sehen dem Tod freudig entgegen. Für
uns ist er die lang ersehnte Wiedervereinigung mit Jesus Christus.« »Ja,
natürlich«, erwiderte Sime.
    Am nächsten Tag
verließen sämtliche Mönche Kingsbridge.
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KAPITEL 88
    Gwenda hätte vor
Wut jemanden erschlagen können, als sie sah, wie Ralph Daveys Krapppflanzen
zugerichtet hatte. Mutwillige Zerstörung von Feldfrüchten war eine Sünde.
Edelleuten, die vernichteten, was Bauern im Schweiße ihres Angesichts zum
Wachsen gebracht hatten, sollte in der Hölle ein eigener Flügel vorbehalten
sein.
    Doch Davey ließ
sich nicht entmutigen. »Ich glaube nicht, dass das wichtig ist«, sagte er. »Der
Wert liegt in den Wurzeln, und die hat er nicht angerührt.«
    »Das wäre ihm zu
viel Arbeit gewesen«, erwiderte Gwenda mürrisch, aber ihre Stimmung hob sich.
    Tatsächlich
erholten sich die Pflanzen bemerkenswert schnell. Ralph wusste wohl nicht, dass
Krapp sich unterirdisch ausbreitete. Im Mai und Juni, während die Nachrichten
von einem neuen Ausbruch der Pest Wigleigh erreichten, trieben die Wurzeln neue
Sprosse aus der Erde, und Anfang Juli beschloss Davey, dass man sie ernten
könne. Einen ganzen Sonntagnachmittag lang gruben Gwenda, Wulfric und Davey die
Wurzeln aus. Zuerst lockerten sie rings um die Pflanze die Erde, dann zogen sie
den Krapp aus dem Boden, streiften die Blätter ab und ließen nur einen kurzen
Stängel an der Wurzel. Es war die gleiche rückenzermürbende Schinderei, wie
Gwenda sie schon ihr ganzes Leben ausführte.
    Die Hälfte der
Pflanzung ließen sie unberührt, in der Hoffnung, dass sie sich bis zum nächsten
Jahr regeneriert hätte.
    Durch den Wald
zogen sie einen ganzen Handkarren voller Krappwurzeln nach Wigleigh, luden sie
dort in die Scheune und breiteten sie zum Trocknen auf dem Heuboden aus.
    Davey wusste nicht,
ob er seine Ernte würde verkaufen können. Kingsbridge war eine gesperrte Stadt.
Die Städter kauften noch immer zu essen, aber nur über Vermittler. Davey bot
etwas Neues feil und müsste es seinen Käufern erst erklären. Über einen Mittelsmann
ging das nur sehr umständlich. Trotzdem wollte er es versuchen. Zuerst aber
musste er die Wurzeln trocknen und zu Pulver zermahlen, und das dauerte
sowieso.
    Davey sagte kein
Wort mehr von Amabel, doch Gwenda war sich sicher, dass die beiden sich immer
noch trafen. Davey gab vor, sich in sein Schicksal ergeben zu haben. Wenn er
Amabel wirklich aufgegeben hätte, hätte er heimlich geschmollt.
    Gwenda konnte
nichts weiter tun, als zu hoffen, dass er über diese Liebelei hinwegkam, ehe er
alt genug wurde, um ohne Erlaubnis heiraten zu können. Den Gedanken, dass ihre
Familie mit der Annets verbunden sein sollte, konnte sie noch immer kaum ertragen.
Annet hatte nie aufgehört, sie zu demütigen, indem sie mit Wulfric  tändelte,
der weiterhin bei jeder dummen, koketten Bemerkung töricht grinste. Annet war
mittlerweile über vierzig und hatte geplatzte Äderchen in ihren rosigen Wangen
und weiße Strähnen in den hellen Löckchen, und ihr Gebaren wirkte nicht nur
peinlich, sondern geradezu grotesk; dennoch benahm sich Wulfric, als wäre sie
noch immer ein junges Mädchen.
    Und jetzt, dachte
Gwenda, ist mein Sohn in die gleiche Falle getappt. Amabel sah aus wie Annet
vor fünfundzwanzig Jahren, sie hatte ein hübsches Gesicht mit fliegenden
Locken, einen langen Hals auf schmalen weißen Schultern und kleine Brüste wie
die Eier, die Mutter und Tochter auf Märkten verkauften. Sie warf das Haar auf
die gleiche Art und hatte die gleiche Art, einen Mann mit gespieltem

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