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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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bin.«
    Gwenda konnte nur
noch flüstern. »Nein, das weiß er nicht.« »Ich frage mich, wie ihm zumute ist,
wenn er es herausfindet.« »Es würde ihn umbringen«, hauchte sie.
    »Das sehe ich auch
so.«
    »Bitte sagt ihm
nichts«, flehte sie.
    »Gewiss nicht…
solange du mir gehorchst.« Was konnte sie tun?
    Gwenda wusste, dass
Ralph sie anziehend fand. Dieses Wissen hatte sie aus Verzweiflung eingesetzt,
damit sie ihn in der Burg des Sheriffs sprechen konnte. Ihr Zusammentreffen im Bell
vor so vielen Jahren, eine Erinnerung, die Gwenda verfolgte, hatte in seinem Gedächtnis
als wunderbarer Augenblick überlebt und war von der verstrichenen Zeit
wahrscheinlich noch vergoldet worden. Und die Idee, diesen Augenblick
Wiederaufleben zu lassen, hatte sie ihm in den Kopf gesetzt.
    Es war ihre eigene
Schuld.
    Konnte sie ihn
irgendwie von seiner Absicht abbringen? »Wir sind nicht mehr die gleichen wie
vor all den Jahren«, sagte sie. »Ich werde nie wieder ein unschuldiges junges
Mädchen. Ihr solltet zu Euren Schankmägden zurückkehren.«
    »Ich will keine
Schankmagd, ich will dich.« »Nein«, sagte sie. »Bitte.« Sie kämpfte mit den
Tränen.
    Er war
unerbittlich. »Zieh dein Kleid aus.« Gwenda schob das Messer in die Scheide und
löste den Gürtel.
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KAPITEL 89
    Sobald Merthin
aufwachte, dachte er an Lolla.
    Drei Monate war sie
nun verschwunden. Er hatte Botschaften an die Räte von Gloucester, Monmouth,
Shaftesbury, Exeter, Winchester und Salisbury geschickt. Briefe von ihm, dem
Ratsältesten einer der großen Städte des Landes, nahm man ernst, und von allen
erhielt er umfassende Antworten. Nur der Bürgermeister von London zeigte sich
wenig hilfsbereit; kurz gefasst schrieb er, dass die Hälfte aller Mädchen in
seiner Stadt ihren Vätern davongelaufen sein dürften und es nicht Sache des
Bürgermeisters sei, sie wieder auf den Heimweg zu schicken.
    Merthin erkundigte
sich persönlich in Shiring, Bristol und Melcombe. Er hatte mit den Wirten
aller Gasthäuser gesprochen und ihnen Lolla beschrieben. Alle hatten sie viele
dunkelhaarige junge Mädchen gesehen, oft in Begleitung gut aussehender Schurken
namens Jake, Jack oder Jock; aber keiner konnte mit Sicherheit sagen, er habe
Merthins Tochter gesehen oder den Namen Lolla gehört.
    Auch einige von
Jakes Freunden waren verschwunden, dazu die eine oder andere Freundin; alle
verschwundenen jungen Mädchen waren einige Jahre älter als Lolla.
    Lolla konnte tot
sein — dessen war sich Merthin bewusst —, aber er wollte die Hoffnung nicht
aufgeben. Dass Lolla die Pest bekommen hatte, glaubte er nicht. Die neue Welle
plagte die Städte und Dörfer und raffte die meisten Kinder unter zehn dahin.
Aber Überlebende der ersten Welle wie Lolla und er mussten Menschen sein, die
aus einem unerfindlichen Grund die Kraft besaßen, der Krankheit zu widerstehen
oder sich — in sehr wenigen Fällen wie seinem eigenen — von ihr wieder zu
erholen; und diesmal erkrankte keiner von ihnen. Die Pest war indessen nur eine
der Gefahren, die einer Sechzehnjährigen drohten, die von zu Hause ausgerissen
war, und Merthins fruchtbare Fantasie quälte ihn nächtens mit Bildern dessen, was
ihr zugestoßen sein konnte.
    Eine Stadt, die von
der Pest bisher kaum behelligt wurde, war Kingsbridge. In der Altstadt hatte
die Seuche vielleicht eines von hundert Häusern getroffen, wie Merthin aus den
Gesprächen erfuhr, die er mit Madge Webber über das Stadttor hinweg führte.
Madge fungierte innerhalb der Stadtmauern als Ratsälteste, während Merthin sich
um alles kümmerte, was außerhalb vorging. In den Vorstädten Kingsbridges war
wie in anderen Städten etwa jedes fünfte Haus betroffen. Doch hatten Caris‘
Vorkehrungen die Pest besiegt oder nur verzögert? Würde die Krankheit über kurz
oder lang die Barrieren überwinden, die Merthins Frau errichtet hatte? Würde
die Seuche am Ende genauso verheerend wüten wie beim letzten Mal? Das wüssten
sie erst, wenn der Schwarze Tod wieder verschwunden war — und das konnte Monate
oder Jahre dauern.
    Seufzend erhob er
sich aus seinem einsamen Bett. Caris hatte er nicht gesehen, seit die Stadt
abgeriegelt worden war. Sie wohnte im Hospital, nur wenige Schritt von Merthins
Haus entfernt, aber sie konnte das Gebäude nicht verlassen. Leute durften
hinein, aber nicht mehr heraus. Caris hatte sich gesagt, dass sie unglaubwürdig
erscheinen würde, wenn sie nicht an der Seite ihrer

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