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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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»Ist das Pulver nutzlos?«
    »Wie gesagt, ist es schwach. Ich kann dir
dafür nicht den Preis für reines Färbemittel zahlen.«
    Davey wirkte so
entmutigt, dass er Merthin im Herzen leid tat. Madge fragte: »Wie viel hast du
davon?«
    »Noch neun weitere Vier-Gallonen-Säcke wie
den, den ich Euch bringen ließ«, antwortete Davey bedrückt.
    »Ich gebe dir dafür
den halben üblichen Preis — drei Shilling und sechs Pence pro Gallone. Das sind
pro Sack vierzehn Shilling, also bekommst du für zehn Sack genau sieben Pfund.«
    Daveys Gesicht
zeigte das pure Entzücken. Merthin wünschte, Caris wäre bei ihm, damit sie es
sehen konnte. »Sieben Pfund!«, wiederholte Davey.
    Madge glaubte, er
wäre enttäuscht, denn sie sagte: »Mehr kann ich dafür nicht geben — das
Färbemittel ist nicht stark genug.«
    Doch für Davey
waren sieben Pfund ein Vermögen; selbst bei den Löhnen, die man im Moment erzielen
konnte, musste ein Knecht mehrere Jahre lang arbeiten, um so viel Geld zu verdienen.
    Er sah Merthin an.
»Ich bin reich!«, rief er.
    Merthin lachte und
erwiderte: »Gib nicht alles auf einmal aus.«
    Der nächste Tag war
ein Sonntag. Merthin ging zur Morgenmesse in die kleine Kirche der Insel, die
der heiligen Elisabeth von Ungarn geweiht war, der Schutzpatronin der Heiler.
Danach ging er nach Hause und nahm einen kräftigen Eichenspaten aus dem Werkzeugschuppen.
Den Spaten über der Schulter, verließ er die Insel über die äußere Brücke,
durchquerte die Vorstadt und marschierte seiner Vergangenheit entgegen.
    Angestrengt
versuchte er sich des Weges durch den Wald zu entsinnen, den er mit Caris,
Ralph und Gwenda vor vierunddreißig Jahren gegangen war. Ihn wiederzufinden
erschien ihm unmöglich.
    Außer Wildpfaden
gab es keine Wege. Sprösslinge waren zu erwachsenen Bäumen geworden, mächtige
Eichen von den Holzfällern des Königs geschnitten worden. Zu seiner
Überraschung entdeckte er trotzdem Wegweiser: einen Quell, der aus dem Boden
gurgelte und an dem die zehnjährige Caris zum Trinken niedergekniet war; einen
großen Felsen, von dem sie gesagt hatte, er sehe aus, als sei er vom Himmel
gefallen; ein enges Tal mit steilen Hängen und einem sumpfigen Boden, wo ihr
Schlamm in die Schuhe gelaufen war.
    Während Merthin
ging, wurde seine Erinnerung an jenen Kindheitstag immer lebhafter. Er
erinnerte sich an den kleinen dreibeinigen Hund Hop, der sich ihnen
angeschlossen hatte und dem wiederum Gwenda gefolgt war. Erneut empfand er die
Freude, als Caris seinen Scherz verstand. Sein Gesicht rötete sich, wenn er
daran dachte, wie ungeschickt er sich vor Caris mit dem Bogen anstellte, den er
selbst gemacht hatte — und wie gewandt sein jüngerer Bruder die Waffe
meisterte.
    Vor allem aber
erinnerte er sich an Caris als Mädchen. Sie waren damals noch Kinder, aber
dennoch war er verzaubert gewesen von ihrer raschen Auffassungsgabe, ihrem
Wagemut und der Mühelosigkeit, mit dem sie den Befehl über die kleine Gruppe
übernahm. Liebe war es noch nicht gewesen, aber eine Art von Faszination, der
Liebe nicht unähnlich.
    Die Erinnerungen
hatten ihn von der Wegsuche abgelenkt, und er verlor die Orientierung.
Allmählich fühlte er sich, als befände er sich in völlig unvertrautem Gelände —
dann plötzlich trat er auf eine Lichtung und wusste, er hatte die richtige
Stelle gefunden. Die Büsche standen nun dichter; der Stamm der Eiche war noch
dicker geworden, und anders als an jenem Novembertag im Jahre 1327 schmückten
farbenfrohe Sommerblumen die Lichtung. Dennoch hatte Merthin keine Zweifel: Es
war wie ein vertrautes Gesicht, das er jahrelang nicht gesehen hatte,
verändert, aber unverwechselbar.
    Ein kleinerer,
dünnerer Merthin war unter jenen Busch gekrochen, um sich vor dem großen Mann
zu verstecken, der durch das Unterholz krachte. Er erinnerte sich, wie der
erschöpfte, keuchende Sir Thomas sich mit dem Rücken an die Eiche gestellt und
Schwert und Dolch gezückt hatte.
    Vor seinem inneren
Auge sah er die Geschehnisse dieses Tages noch einmal. Zwei Männer in
gelb-grünen Waffenröcken hatten Thomas eingeholt und einen Brief von ihm
gefordert. Thomas lenkte die Männer zunächst ab, indem er ihnen sagte, dass jemand
sie beobachte, der sich im Busch verstecke. Merthin war sich sicher gewesen,
dass man ihn und die anderen Kinder ermorden würde — dann erschoss Ralph, erst
zehn Jahre alt, einen der beiden Soldaten und bewies schon damals die

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