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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wohl.«
    »Aber suchen wir
ihn auf. Ich möchte ihm das Angebot persönlich machen.«
    Nate erschrak, aber
natürlich erhob er keinen Einwand.
    In Wahrheit wollte
Ralph Gwenda Wiedersehen. Sie hatte etwas an sich, bei dem er eine trockene
Kehle bekam. Durch seine letzte Begegnung mit ihr in der Jagdhütte war sein
Verlangen nur kurz gestillt worden. In den Wochen, die seither vergangen waren,
hatte er oft an sie gedacht. Neuerdings zog er nur geringe Befriedigung aus der
Art Frauen, mit denen er gewöhnlich lag: jungen Huren, Schankmägden und
Küchenmädchen. Sie alle gaben vor, von ihm betört zu sein, doch er wusste, dass
sie es nur auf das Geld abgesehen hatten, das er ihnen hinterher schenkte.
Gwenda hingegen verabscheute ihn unverhohlen und schauderte, wenn er sie berührte;
paradoxerweise befriedigte ihn das, weil es aufrichtig war und daher wirklich.
Nach ihrem Zusammensein in der Jagdhütte hatte er Gwenda einen Beutel mit
Silberpennys gegeben, den sie so fest auf ihn zurück schleuderte, dass er einen
blauen Fleck an der Brust davontrug.
    »Sie sind heute auf
dem Brookfield und wenden die gemähte Gerste«, sagte Nate. »Ich führe Euch
hin.«
    Ralph folgte Nate
mit Alan und Sam aus dem Dorf. Am Ufer des Baches gelangten sie zum Rand des
weiten Feldes. In Wigleigh war es immer windig, doch die sommerliche Luft
fühlte sich weich und warm an wie Gwendas Brüste.
    Einige Streifen
waren schon gemäht, doch auf anderen sah Ralph überreifen Hafer stehen oder von
Unkraut überwucherte Gerste, und ein Roggenfeld war zwar gemäht, aber die Halme
waren nicht gebunden worden, sodass die Ernte auf dem Boden verstreut lag.
    Vor einem Jahr
hatte er geglaubt, seine Geldsorgen wären endgültig vorüber. Aus dem jüngsten
französischen Krieg war er mit einer Geisel heimgekehrt, dem Marquis de
Neuchätel, und hatte ein Lösegeld von fünfzigtausend Pfund verlangt. Die
Familie des Marquis hatte diese Summe jedoch nicht aufbringen können. Ähnliches
war mit dem französischen König Jean II. geschehen, den der Fürst von Wales bei
der Schlacht von Poitiers gefangen genommen hatte. Vier Jahre lang hatte König
Jean in London geweilt, dem Namen nach ein Gefangener, obwohl er behaglich im
Savoy Palace lebte, dem neuen Palast des Herzogs von Lancaster. Das Lösegeld
für den König war gesenkt und dennoch nicht voll entrichtet worden. Ralph hatte
Alan Fernhill nach Neuchätel entsandt, um das Lösegeld neu auszuhandeln, und
Alan war mit dem Preis auf zwanzigtausend Pfund heruntergegangen, doch erneut
hatte die Familie nicht gezahlt. Dann starb der Marquis an der Pest, und Ralph
stand wieder mittellos da und musste sich um die Ernte sorgen.
    Es war Mittag. Die
Bauern setzten sich zum Mittagessen an den Rand des Feldes. Gwenda, Wulfric und
Davey rasteten unter einem Baum und aßen kaltes Schweinefleisch mit rohen
Zwiebeln. Als die Pferde näher kamen, sprangen sie alle auf. Ralph ging zu
Gwendas Familie und winkte die anderen Bauern fort.
    Gwenda trug ein
weites grünes Kleid, das ihre Gestalt verbarg. Ihr Haar war in den Nacken
zurück gebunden, sodass ihr Gesicht mehr denn je an eine Ratte denken ließ.
Ihre Hände waren schmutzig, sie hatte Erde unter den Nägeln. Doch als Ralph sie
anblickte, stellte er sie sich nackt vor, wie sie bereit auf ihn wartete, auf
dem Gesicht einen Ausdruck resignierten Abscheus gegen das, was er tun würde;
und es erregte ihn.
    Er sah von ihr auf
ihren Ehemann. Wulfric erwiderte ruhig den Blick, weder trotzig noch
eingeschüchtert. Sein lohfarbener Bart zeigte nun graue Strähnen, doch noch
immer überwuchs er nicht die Schwertnarbe, die Ralph ihm geschlagen hatte.
»Wulfric, dein Sohn möchte Amabel heiraten und Annets Land übernehmen.«
    Gwenda antwortete
ihm. Sie hatte nie gelernt, nur dann zu sprechen, wenn man das Wort an sie
richtete. »Ihr habt mir den einen Sohn gestohlen — nehmt Ihr mir jetzt auch
noch den anderen?«, fragte sie bitter.
    Ralph überging
ihren Einwurf. »Wer wird den Handlohn entrichten?«
    Nate sagte: »Es
sind dreißig Shilling.«
    Wulfric erwiderte:
»Ich habe keine dreißig Shilling.«
    »Ich kann es
zahlen«, sagte Davey gelassen.
    Er muss sehr gut an
seinem Färberkrapp verdient haben, dachte Ralph, wenn er bei solch einer Summe so
gleichmütig bleibt. »Gut«, sagte er. »In diesem Fall —«
    Davey unterbrach
ihn. »Aber zu welchen Bedingungen bietet Ihr mir das Land?«
    Ralph merkte, wie
er rot

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