Die Tore der Welt
einsehen, wie Godwyn erleichtert erkannte. »Ich
habe einen Armreif verloren«, sagte sie. »Er ist nicht besonders wertvoll, nur
aus Holz, aber ich hänge daran.«
»Wie schade«, sagte
Godwyn mitfühlend. »Ich werde die Mönche und Nonnen bitten, danach Ausschau zu
halten.«
Philemon erklärte:
»Ich habe ihn nicht gesehen.« Godwyn sagte zu Philippa. »Vielleicht ist er Euch
vom Handgelenk geglitten.« Sie runzelte die Stirn. »Das Seltsame ist nur, dass
ich ihn gar nicht getragen habe, seit ich hier eingetroffen bin. Ich habe ihn
bei meiner Ankunft abgestreift und auf den Tisch gelegt, und nun kann ich ihn
nicht finden.« »Vielleicht ist er in eine dunkle Ecke gerollt. Philemon hier
wird danach suchen. Er putzt die Gastgemächer.« Philippa schaute Philemon an.
»Ja, ich habe dich gesehen, als ich vor gut einer Stunde gegangen bin. Und du
hast den Reif nicht gesehen, als du die Stube gefegt hast?« »Ich habe nicht
gefegt. Frau Margery ist just in dem Augenblick gekommen, da ich anfangen
wollte.« Godwyn sagte: »Philemon ist gerade wieder zurückgekommen, um Euer
Gemach zu putzen, doch Frau Margery ist …«, er schaute in den Raum, »… beim
Gebet.« Tatsächlich kniete Margery mit geschlossenen Augen am Betpult und bat
um Vergebung für ihre Sünde, wie Godwyn hoffte. Richard stand mit gesenktem
Kopf und gefalteten Händen hinter ihr und bewegte stumm die Lippen.
Godwyn trat
beiseite, um Philippa in das Gemach zu lassen. Sie schaute ihren Schwager
misstrauisch an. »Hallo, Richard«, sagte sie.
»Es passt gar nicht
zu dir, an einem Werktag zu beten.«
Richard legte den
Finger auf die Lippen, um sie zum Schweigen zu ermahnen, und deutete auf
Margery.
Philippa sagte
schroff: »Margery kann so viel beten, wie sie will, aber das hier ist das
Frauengemach, und du hast hier nichts zu suchen.«
Richard verbarg
seine Erleichterung, ging hinaus und schloss die Tür.
Er und Godwyn
standen sich im Gang gegenüber. Godwyn sah deutlich, dass Richard nicht wusste,
welche Richtung er einschlagen sollte. Vielleicht hätte er am liebsten gesagt:
»Wie könnt Ihr es wagen, ohne zu klopfen, in ein Zimmer zu kommen?« Aber
vermutlich war ihm sein Fehler nur allzu bewusst, sodass er nicht den Mut aufbrachte.
Andererseits konnte er Godwyn auch nicht bitten, Schweigen darüber zu wahren,
was er gesehen hatte, denn damit hätte er zugegeben, dass Godwyn ihn in der
Hand hatte. Es war ein geradezu schmerzhaft peinlicher Augenblick.
Während Richard
zögerte, sagte Godwyn: »Niemand wird von mir davon erfahren.«
Richard wirkte
erleichtert und schaute dann zu Philemon. »Was ist mit ihm?«
»Philemon will
Mönch werden. Er lernt gerade die Tugend des Gehorsams.«
»Ich stehe in Eurer
Schuld.«
»Ein Mann sollte
seine eigenen Sünden beichten, nicht die anderer.« »Wie auch immer … Ich bin
Euch sehr dankbar, Bruder …?«
»Godwyn. Ich bin
der Mesner und Neffe von Prior Anthony.«
Er wollte Richard
wissen lassen, dass er über ausreichend gute Verbindungen verfügte, um ihm
Ärger zu machen. Doch um der Drohung die Schärfe zu nehmen, fügte er hinzu:
»Meine Mutter war vor vielen Jahren mit Eurem Vater verlobt, bevor er zum
Grafen geworden ist.« »Diese Geschichte ist mir bekannt.«
Godwyn hätte gerne
hinzugefügt: »Und dein Vater hat meine Mutter ausgenutzt, so wie du Margery
ausnutzen willst.« Stattdessen sagte er in freundlichem Tonfall: »Wir hätten
Brüder sein können.«
»Ja.«
Die Glocke läutete
zum Essen. Von ihrer Verlegenheit befreit trennten die drei Männer sich
voneinander: Richard ging, um mit Prior Anthony zu speisen; Godwyn begab sich
ins Refektorium, und Philemon schlurfte in die Küche, um zu helfen.
Nachdenklich ging
Godwyn durch den Kreuzgang. Er war wütend wegen der Szene, deren Zeuge er
geworden war, doch er hatte das Gefühl, die Situation gut gemeistert zu haben.
Am Ende schien Richard ihm tatsächlich vertraut zu haben.
Im Refektorium saß
Godwyn neben Theodoric, einem klugen Mönch, ein paar Jahre jünger als er.
Theodoric hatte nicht in Oxford studiert; deshalb schaute er zu Godwyn auf.
Godwyn wiederum behandelte ihn als Gleichgestellten, was Theodoric
schmeichelte.
»Ich habe gerade
etwas gelesen, was dich interessieren könnte«, sagte Godwyn. Er fasste
zusammen, was er über die Haltung des verehrten Prior Philip in Bezug auf
Frauen im Allgemeinen und Nonnen im Besonderen gelesen hatte. »Genau das, was
du schon
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