Die Tore der Welt
gekommen. Dein Onkel Edmund hat einen schweren Schlag erlitten.
Die Italiener drohen, ihr Geld nach Shiring zu tragen.«
Godwyn war
entsetzt. »Damit wäre er ruiniert.« Allerdings war er nicht sicher, warum
Mutter ihn extra deswegen aufgesucht hatte.
»Edmund glaubt,
dass er die Italiener zurückgewinnen kann, wenn wir den Wollmarkt attraktiver
gestalten — besonders, wenn wir die alte Brücke abreißen und eine neue,
breitere bauen.«
»Lass mich raten:
Onkel Anthony hat sich geweigert.« »Aber Edmund hat noch nicht aufgegeben.«
»Willst du, dass ich noch einmal mit Anthony spreche?« Sie schüttelte den Kopf.
»Du kannst ihn nicht überzeugen. Aber wenn das Thema im Kapitel zur Sprache
kommt, könntest du den Antrag unterstützen.« »Und mich gegen Onkel Anthony
stellen?« »Wann immer die alte Garde sich einem vernünftigen Vorschlag
verweigert, musst du dich an die Spitze der Reformer setzen.« Godwyn lächelte
bewundernd. »Woher weißt du eigentlich so viel über Politik, Mutter?« »Das will
ich dir sagen.« Sie wandte sich ab, richtete den Blick auf die große Rosette am
Ostende, und ihr Geist schweifte in die Vergangenheit. »Als mein Vater damals
anfing, mit den Italienern Handel zu treiben, wurde er von den führenden
Bürgern von Kingsbridge als Emporkömmling behandelt. Sie rümpften die Nasen
über ihn und seine Familie und taten alles, um ihn davon abzuhalten, seine
neuen Ideen umzusetzen. Meine Mutter war damals schon tot und ich ein junges Mädchen.
So bin ich Vaters Vertraute geworden, und er hat mir alles erzählt.« Ihr
Gesicht, das normalerweise in einem Ausdruck der Ruhe geradezu erstarrt war,
verzerrte sich nun zu einer Maske der Bitterkeit und des Grolls: Ihre Augen
wurden schmaler; sie schürzte die Lippen, und ihre Wangen röteten sich von
beschämenden Erinnerungen. »Er kam zu dem Schluss, dass er sich nie durchsetzen
würde, ehe er nicht die Kontrolle über den Gemeinderat hätte. Das hat er dann
auch in Angriff genommen, und ich habe ihm dabei geholfen.« Sie atmete tief
durch, als sammele sie wieder ihre Kraft für einen langen Krieg. »Wir haben die
herrschende Gruppe gespalten, eine Partei gegen die andere gehetzt, Bündnisse
geschlossen und wieder gelöst, unsere Gegner gnadenlos unterminiert und unsere
Unterstützer ausgenutzt, bis es uns gelegen kam, sie fallen zu lassen. Es hat
uns zehn Jahre gekostet, doch zu guter Letzt war mein Vater Ratsältester und
der reichste Mann der Stadt.«
Petronilla hatte
Godwyn die Geschichte ihres Vaters auch früher schon erzählt, doch nie auf
solch offene und ehrliche Art.
»Dann warst du also
seine Gehilfin, so wie Caris es bei Edmund ist,ja?«
Petronilla stieß
ein kurzes, hartes Lachen aus. »Ja. Nur dass wir schon die führenden Bürger
waren, als Edmund das Geschäft übernommen hat. Mein Vater und ich, wir haben
den Berg erklommen, während Edmund nur darauf achten muss, nicht wieder hinunter
zu rutschen.«
Sie wurden von
Philemon unterbrochen. Er kam aus dem Kreuzgang in die Kathedrale — ein großer,
zweiundzwanzig jähriger Mann mit dürrem Hals, der wie ein Vogel ging. Er trug
einen Besen in der Hand: Die Priorei beschäftigte ihn zum Saubermachen. Er
wirkte aufgeregt. »Ich habe nach Euch gesucht, Bruder Godwyn.«
Petronilla
ignorierte die offensichtliche Eile. »Hallo, Philemon.
Haben sie dich
immer noch nicht zum Mönch gemacht?« »Ich bekomme die nötige Spende nicht
zusammen, Frau Petronilla. Ich stamme aus bescheidenen Verhältnissen.« »Aber es
ist durchaus schon vorgekommen, dass die Priorei die Spende erlässt, wenn der
Bewerber entsprechende Hingabe beweist, und du dienst der Priorei nun schon
seit Jahren.« »Bruder Godwyn hat mich bereits vorgeschlagen, aber einige der älteren
Brüder haben gegen mich gesprochen.« Godwyn warf ein: »Der blinde Carlus hasst
Philemon — ich weiß nicht warum.« Petronilla sagte: »Ich werde mit meinem
Bruder Anthony reden. Er sollte Carlus überstimmen. Du bist meinem Sohn ein
guter Freund, Philemon — ich will dich weiter aufsteigen sehen.« »Ich danke
Euch, Frau Petronilla.«
»Nun, du platzt
anscheinend vor Verlangen, meinem Sohn etwas mitzuteilen, was du nicht vor mir
sagen kannst; also werde ich mich jetzt verabschieden.« Sie küsste Godwyn.
»Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe.«
»Das werde ich
nicht, Mutter.«
Godwyn fühlte sich
erleichtert, als wäre eine Gewitterwolke über seinem Kopf von
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