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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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für eine Kuh verkauft, sondern an den
Sohn eines reichen Wollhändlers verheiratet.«
    Der Gedanke an
ihren Vater machte Gwenda wütend. Er musste gewusst oder zumindest vermutet
haben, dass dies hier passieren würde. Wie hatte er ihr das nur antun können?
    »Na gut, na gut,
ist auch egal«, sagte Alwyn. »Bei nur zwei Frauen in der Truppe sind die Jungs
bestimmt nicht wählerisch.«
    »Tarn hat gesagt,
wir sollten bis morgen warten, weil heute alle zu besoffen sind. Aber die
Entscheidung liegt bei dir.«
    »Tarn hat recht.
Die Hälfte pennt schon.« Gwendas Furcht ließ ein wenig nach. Über Nacht konnte
viel geschehen.
    »Gut«, sagte Sim.
»Ich bin sowieso hundemüde.« Er schaute Gwenda an. »Leg dich hin, du.« Er
nannte sie nie beim Namen.
    Gwenda gehorchte,
und Sim band ihr die Füße zusammen und die Hände auf den Rücken. Dann legten er
und Alwyn sich links und rechts neben sie; wenige Augenblicke später schliefen
sie tief und fest.
    Gwenda war todmüde,
doch sie verschwendete keinen Gedanken an Schlaf. Mit den Armen auf dem Rücken
war jede Körperhaltung schmerzhaft. Sie versuchte, die Handgelenke in den
Fesseln zu bewegen, doch Sim hatte sie straff gezogen und gut verknotet.
    Gwenda scheuerte
sich nur die Haut auf, sodass der Strick höllisch brannte.
    Verzweiflung
verwandelte sich in hoffnungslose Wut. Gwenda malte sich aus, wie sie Rache an
ihren Peinigern nehmen und sie peitschen würde, während sie vor ihr kauerten.
Doch es war ein sinnloser und unnützer Traum, und Gwenda richtete ihre Gedanken
auf praktische Fluchtmöglichkeiten.
    Zuerst musste sie
dafür sorgen, dass man sie losband. War das geschehen, musste sie fliehen.
Idealerweise würde sie es dann irgendwie schaffen, dass diese Bande ihr nicht
folgte und sie nicht wieder ein fangen konnte.
    Doch das schien
unmöglich zu sein.
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KAPITEL 12
    Als Gwenda
aufwachte, war ihr kalt. Obwohl mitten im Sommer, war es kühl auf der
Waldlichtung, und sie hatte keinen Schutz außer ihrem dünnen Kleid. Das Schwarz
des Himmels verwandelte sich in trübes Grau. Gwenda schaute sich in dem
schwachen Licht auf der Lichtung um: Niemand rührte sich.
    Sie musste pinkeln
und dachte darüber nach, es gleich hier zu tun und ihr Kleid zu beschmutzen: Je
abstoßender sie sich machte, desto besser. Doch kaum war ihr der Gedanke
gekommen, verwarf sie ihn auch schon wieder. Das würde Aufgabe bedeuten, und aufgeben
würde sie nicht. Aber was sollte sie tun?
    Alwyn schlief neben
ihr, seinen langen Dolch am Gürtel, und Gwenda kam eine Idee. Zwar wusste sie
nicht, ob sie den Mut hatte, ihre Idee in die Tat umzusetzen; doch wenn sie
ihrem Schicksal entrinnen wollte, musste sie es tun, und so weigerte sie sich
standhaft, auch nur daran zu denken, wie verängstigt sie war.
    Obwohl Gwendas Füße
gefesselt waren, konnte sie die Beine bewegen. Sie trat Alwyn. Zuerst schien er
es gar nicht zu spüren. Sie trat ihn erneut, und diesmal bewegte er sich. Beim
dritten Mal setzte er sich auf. »Warst du das?«, fragte er verschlafen.
    »Ich muss mal«,
sagte Gwenda.
    »Nicht auf der
Lichtung. Geh zwanzig Schritt zum Pissen, fünfzig zum Scheißen. Das ist eine
von Tams Regeln.« »Geächtete, die nach Regeln leben!«
    Alwyn starrte sie
verständnislos an. Die Ironie entging ihm. Er war nicht sonderlich klug,
erkannte Gwenda, und das konnte sich als hilfreich erweisen. Aber er war stark,
brutal und gemein. Sie würde sehr vorsichtig sein müssen.
    Sie sagte:
»Gefesselt kann ich nirgendwo hingehen.« Knurrend löste Alwyn ihr die Fußfesseln.
    Der erste Teil von
Gwendas Plan hatte funktioniert. Nun hatte sie sogar noch mehr Angst.
    Sie rappelte sich
auf. Die Muskeln in ihren Beinen schmerzten von der Nacht in Fesseln. Sie tat
einen Schritt, stolperte und fiel.
    »Ich … Ich kann
mit gefesselten Händen nicht laufen.« Alwyn schien sie nicht zu hören.
    Der zweite Teil
ihres Plans war gescheitert.
    Sie musste es
trotzdem weiter versuchen.
    Sie stand wieder
auf und wankte zwischen die Bäume. Alwyn folgte ihr, wobei er die Schritte an
den Fingern abzählte. Als er das erste Mal bei zehn war, begann er wieder von
vorne. Beim zweiten Mal sagte er: »Das ist weit genug.«
    Gwenda schaute ihn hilflos an. »Ich kann
mein Kleid nicht heben… «
    Würde er darauf
hereinfallen?
    Alwyn starrte sie
dümmlich an. Sie konnte seinen Verstand förmlich arbeiten hören wie das
Räderwerk einer Wassermühle. Natürlich hätte Alwyn

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