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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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auf.
    Mit Vater ging Ralph
an Lady Philippa vorbei, die mit fester Hand die Zügel eines Rennpferdes hielt,
während sie mit ihrem Gemahl, Herrn William, sprach. Wie für einen langen Ritt
üblich trug sie eng anliegende Kleider, was ihre vollen Brüste und die langen
Beine betonte.
Ralph suchte stets nach einem Vorwand, mit ihr zu reden, doch es nützte ihm
nichts: Er war nur einer der Gefolgsleute ihres Schwiegervaters, und sie sprach
nie mit ihm, es sei denn, es ging nicht anders.
    Während Ralph
zuschaute, lächelte sie ihren Mann an und schlug ihm in spöttischem Tadel
leicht mit dem Handrücken auf die Brust.
    Ralph war voller
Groll. Warum war nicht er es, mit dem sie einen solch vertrauten, fröhlichen
Augenblick teilte? Ohne Zweifel wäre das so, wenn er — wie William — Herr über
vierzig Dörfer wäre.
    Ralph hatte das
Gefühl, als ginge es im Leben nur um das Streben nach Höherem. Wann würde er
endlich etwas erreichen? Ralph und sein Vater gingen den ganzen Hof hinunter,
machten dann kehrt und gingen wieder zurück.
    Da sah Ralph einen
einarmigen Mönch aus der Küche und über den Hof kommen. Der Mann kam ihm
irgendwie bekannt vor. Einen Augenblick später erinnerte er sich, woher er
dieses Gesicht kannte:
    Das war Thomas
Langley, der Ritter, der vor zehn Jahren zwei Soldaten im Wald erschlagen hatte.
Ralph hatte den Mann seit diesem Tag nicht mehr gesehen, wohl aber sein Bruder
Merthin, denn der Ritter, der zum Mönch geworden war, führte nun die Aufsicht
über die Instandsetzungsarbeiten an den Gebäuden der Priorei.
    Thomas trug ein
braunes Gewand aus den feinen Stoffen eines Ritters und hatte sich eine Tonsur
rasiert. Um die Hüfte herum hatte er zugelegt, doch er bewegte sich noch immer
wie ein Kämpfer.
    Als Thomas an ihm
vorüber kam, sagte Ralph in beiläufigem Tonfall zu Herrn William: »Da geht er:
der geheimnisvolle Mönch.«
    William erwiderte
mit scharfer Stimme: »Was meinst du damit?«
    »Bruder Thomas. Er
war einst ein Ritter, und niemand weiß, warum er ins Kloster gegangen ist.«
»Was weißt du von ihm, Teufel noch mal?« Wut war in Williams Stimme zu hören, obwohl
Ralph nichts Beleidigendes gesagt hatte. Vielleicht war Herr William trotz des
liebevollen Lächelns seiner schönen Frau in schlechter Stimmung.
    Ralph wünschte, er
hätte das Gespräch nie begonnen. »Ich war an dem Tag hier, als er nach Kingsbridge
gekommen ist«, sagte er.
    Dann zögerte er und
erinnerte sich an den Eid, den die Kinder an jenem Nachmittag geschworen
hatten. Aus diesem Grund — und wegen Herrn Williams unerklärlicher Verärgerung
— erzählte Ralph nicht die ganze Geschichte. »Blutend von einer Schwertwunde
kam er in die Stadt gewankt«, fuhr er fort. »Ein Junge erinnert sich an solche
Dinge.«
    Philippa sagte:
»Wie seltsam.« Sie schaute ihren Mann an. »Kennst du Bruder Thomas‘
Geschichte?«
    »Mitnichten!«,
sagte William schroff. »Woher sollte ich so etwas wissen?« Sie zuckte mit den
Schultern und wandte sich ab.
    Ralph ging weiter.
Er war froh, von William wegzukommen.
    »Herr William
lügt«, sagte er mit leiser Stimme zu seinem Vater. »Warum?«
    »Stell keine Fragen
mehr über diesen Mönch«, mahnte sein Vater. »Das ist offensichtlich ein heikles
Thema.«
    Schließlich
erschien Graf Roland. Prior Anthony begleitete ihn.
    Die Ritter und
Junker saßen auf. Ralph küsste seine Eltern und schwang sich in den Sattel.
Griff tänzelte zur Seite; er wollte los. Die Bewegung ließ Ralphs Nase brennen
wie Feuer. Er biss die Zähne zusammen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als die
Schmerzen zu erdulden.
    Roland ging zu
seinem Pferd, Victory, einem schwarzen Hengst mit einem weißen Fleck ums Auge.
Er saß nicht auf, sondern nahm die Zügel und ging los, wobei er weiter mit dem
Prior sprach. William rief: »Sir Stephen Wigleigh und Ralph Fitzgerald! Reitet
voraus und macht die Brücke frei.«
    Ralph und Stephen
ritten über den Kathedralenvorplatz. Das Gras war zertrampelt und der Boden
verschlammt vom Wollmarkt.
    An ein paar Ständen
wurden noch immer Geschäfte gemacht, doch die meisten hatten geschlossen; viele
Händler waren bereits gegangen. Junker und Ritter trabten durchs Klostertor.
    Auf der Hauptstraße
erblickte Ralph den Jungen, dem er die gebrochene Nase zu verdanken hatte.
Wulfric war sein Name, und er kam aus Stephens Dorf, Wigleigh. Die linke Seite
seines Gesichts, wo Ralphs Schläge ihn getroffen hatten, war

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