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Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sagen: »Sei ein
Mann!« Er hätte mit Ralph reden können, doch seit dem Kampf mit Wulfric
herrschte eine gewisse Kälte zwischen den Brüdern: Merthin glaubte, dass Ralph
sich wie ein tumber Straßenschläger aufgeführt hatte, und Ralph wusste das.
    Merthin fürchtete
sich, Caris die Wahrheit zu sagen. Einen Augenblick lang fragte er sich nach
dem Grund dafür. Es war ja nicht so, dass er Angst vor dem gehabt hätte, was
sie ihm antun könnte.
    Sie würde
vermutlich mit Verachtung und Spott reagieren — darauf verstand sie sich gut —,
aber sie konnte ihm auch nicht schlimmere Dinge um die Ohren werfen als die,
die er selbst ständig zu sich sagte.
    Dann erkannte er,
wovor er sich wirklich fürchtete: Er hatte Angst, sie zu verletzen. Ihren Zorn
konnte er ertragen, ihren Schmerz nicht.
    Sie fragte: »Liebst
du mich noch?«
    Mit dieser Frage
hatte Merthin nicht gerechnet, doch er antwortete, ohne zu zögern: »Ja.«
    »Und ich liebe
dich. Alle anderen Probleme können wir gemeinsam lösen.« Merthin wünschte, sie
hätte recht. Er wünschte es sich so sehr, dass ihm die Tränen in die Augen
traten. Rasch wandte er sich ab, damit sie es nicht sah. Dabei beobachtete er,
wie ein Mob sich auf die Brücke bewegte: Die Leute folgten einem langsam
fahrenden Karren. Das musste die verrückte Neil sein, erkannte Merthin, die
durch die Stadt nach Gallows Cross in Newtown gepeitscht wurde. Doch die Brücke
war bereits voll mit Händlern und ihren Wagen, die aus der Stadt wollten. Nun
kam alles zum Stillstand.
    »Was ist?«, fragte
Caris. »Weinst du?« »Ich habe mit Griselda geschlafen«, sagte Merthin
unvermittelt. Caris klappte der Mund auf. »Griselda?«, fragte sie ungläubig.
»Ich schäme mich ja so.« »Ich dachte, Elizabeth Clerk … « »Elizabeth ist zu
stolz, um sich mir anzubieten.« Caris‘ Reaktion darauf überraschte ihn. »Oh,
dann hättest du es also auch mit ihr getan, hätte sie gewollt, ja?« »Das habe
ich nicht gemeint!« »Griselda! Heilige Muttergottes, ich dachte, ich wäre mehr
wert als das!« »Das bist du auch.«
    »Lupa«, sagte Caris
— das lateinische Wort für »Hure«. »Dabei mag ich sie nicht mal. Deshalb hat‘s
mir auch kein bisschen gefallen.«
    »Soll ich mich jetzt
besser fühlen? Willst du mir damit sagen, dir würde es nicht so leid tun, wenn
du es genossen hättest?«
    »Nein!« Merthin war
verzweifelt. Caris schien fest entschlossen zu sein, alles misszuverstehen, was
er sagte.
    »Was ist nur in
dich gefahren?«
    »Sie hat geweint.«
    »Oh, um Himmels
willen! Machst du das mit jedem Mädchen, das du weinen siehst?«
    »Natürlich nicht!
Ich habe nur versucht, dir zu erklären, wie es passiert ist, obwohl ich es
eigentlich gar nicht wollte.«
    Caris‘ Verachtung
nahm mit jedem Wort zu. »Erzähl nicht solchen Unsinn«, sagte sie. »Wenn du
nicht gewollt hättest, dass es passiert, hättest du´s nicht getan.«
    »Hör mir doch zu,
bitte«, flehte Merthin, am Rande der Verzweiflung. »Sie hat mich gefragt, und
ich habe Nein gesagt. Dann hat sie geweint, und ich habe den Arm um sie gelegt,
um sie zu trösten, und dann … «
    »Oh, erspar mir die
widerlichen Einzelheiten. Ich will es gar nicht wissen.« Merthin wurde wütend.
Er wusste, dass er einen Fehler begangen hatte, und mit Caris‘ Zorn hatte er
gerechnet, doch ihre Verachtung tat weh. »Na schön«, sagte er und hielt den
Mund.
    Doch Schweigen war
auch nicht, was sie wollte. Caris starrte ihn unzufrieden an und fragte dann:
»Was sonst noch?«
    Merthin zuckte mit
den Schultern. »Es ist doch eh gleich, was ich sage. Du überschüttest alles mit
Spott.«
    »Ich will mir nur
nicht deine armseligen Entschuldigungen anhören. Aber da ist noch etwas, das du
mir nicht gesagt hast … Ich kann es fühlen.«
    Merthin seufzte.
»Griselda ist schwanger.« Caris‘ Reaktion überraschte ihn erneut. Aller Zorn
war mit einem Mal wie weggeblasen.
    Die Maske der
Entrüstung auf ihrem Gesicht schien in sich zusammenzufallen. Nur noch
Traurigkeit blieb zurück. »Ein Kind«, sagte sie. »Griselda wird dein Kind zur
Welt bringen.« »Vielleicht auch nicht«, sagte er. »Manchmal … « Caris
schüttelte den Kopf.
    »Griselda ist ein
gesundes Mädchen und gut genährt. Es gibt keinen Grund, warum sie eine
Fehlgeburt erleiden sollte.« »Natürlich wünsche ich mir das auch nicht«, sagte
Merthin, obwohl er nicht sicher war, ob er die Wahrheit sagte.
    »Was wirst du
tun?«,

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