Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tore der Welt

Titel: Die Tore der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
fragte Caris. »Es ist dein Kind. Du wirst es lieben, selbst wenn du die
Mutter nicht ausstehen kannst.«
    »Ich muss Griselda
heiraten.«
    Caris schnappte
nach Luft. »Heiraten! Aber das wäre dann für immer.« »Ich habe ein Kind
gezeugt, und nun muss ich für dieses Kind sorgen.« »Aber dein ganzes Leben mit
Griselda zu verbringen ist … « »Ich weiß.« »Das musst du nicht tun«, sagte
Caris entschlossen. »Denk nach. Elizabeth Clerks Vater hat ihre Mutter auch
nicht geheiratet.« »Er war Bischof.« »Da ist auch noch Maud Roberts in der
Slaughterhouse Ditch … Sie hat drei Kinder, und jeder weiß, dass Edward
Butcher der Vater ist.« »Er ist bereits verheiratet und hat noch vier weitere
Kinder mit seiner Frau.« »Ich will damit nur sagen, dass man nicht immer zum
Heiraten gezwungen wird. Du könntest einfach so weitermachen wie bisher.«
»Nein, könnte ich nicht. Elfric würde mich rauswerfen.« Caris schaute
nachdenklich drein. »Dann hast du also schon mit Elfric gesprochen?«
»Gesprochen?« Merthin legte die Hand auf seine geschwollene Wange. »Ich habe
geglaubt, er bringt mich um.« »Und seine Frau … meine Schwester?« »Sie hat
mich angeschrien.«
    »Dann weiß sie es
also auch.«
    »Ja. Sie hat gesagt,
ich müsse Griselda heiraten. Sie wollte sowieso nie, dass ich mit dir zusammen
bin. Ich weiß nicht warum.«
    Caris murmelte:
»Weil sie dich für sich selbst wollte.« Das war neu für Merthin. Es kam ihm
äußerst unwahrscheinlich vor, dass die hochmütige Alice sich von einem
einfachen Lehrling angezogen fühlen könnte. »Davon habe ich nie etwas bemerkt.«
»Weil du sie dir nie genau angeschaut hast. Deshalb ist sie ja so wütend. Sie
hat Elfric aus Enttäuschung geheiratet. Du hast meiner Schwester das Herz gebrochen
… und nun brichst du meins.« Merthin wandte sich ab. Er und ein
Herzensbrecher? Dieser Gedanke war völlig neu für ihn. Wie hatte alles nur so
schiefgehen können? Caris schwieg.
    Trübsinnig starrte
Merthin über den Fluss hinweg zur Brücke.
    Die Menge war zum
Stehen gekommen. Ein schwerer Karren voller Wollsäcke steckte am Südende fest,
vermutlich mit einem gebrochenen Rad. Der Karren mit Neil im Schlepptau konnte
nicht vorbei. Die Menge schwärmte um beide Karren herum, und ein paar Leute
kletterten auf die Wollsäcke, um besser sehen zu können.
    Graf Roland
versuchte ebenfalls, die Stadt zu verlassen. Er war mit seinem Gefolge am
Stadtende der Brücke und beobachtete vom Pferderücken aus das Geschehen; doch
selbst die Ritter und Junker hatten Schwierigkeiten, die Bürger aus dem Weg zu
bekommen.
    Merthin entdeckte
seinen Bruder Ralph auf dessen Pferd, einem Braunen mit schwarzer Mähne und
schwarzem Schweif. Prior Anthony, der den Grafen vermutlich hatte verabschieden
wollen, rang besorgt die Hände, während Rolands Männer ihre Pferde in dem
sinnlosen Versuch, einen Weg freizumachen, in die Menge trieben.
    In Merthins Kopf
läuteten die Alarmglocken. Irgendetwas stimmte da nicht, ganz und gar nicht, da
war er sich sicher, aber was? Er schaute sich die Brücke genauer an. Am Montag
war ihm aufgefallen, dass die massiven Eichenstämme, die einen Strompfeiler mit
dem anderen verbanden, auf der flussaufwärts gelegenen Seite Risse zeigten; die
Pfeiler selbst waren ja bereits mit Eisenklammern geflickt worden. Merthin hatte
mit diesen Arbeiten nie etwas zu tun gehabt, sodass er sie sich bis jetzt nicht
genauer angeschaut hatte. Am Montag aber hatte er sich gefragt, wie die Risse
entstanden waren. Die Schwachstellen befanden sich nicht in der Mitte der
Querbalken, wie zu erwarten gewesen wäre, wenn das Holz mit der Zeit an Kraft
verloren hätte. Sie konzentrierten sich vielmehr in der Nähe des zentralen
Pfeilerpaars.
    Seit Montag hatte
Merthin nicht mehr daran gedacht — er hatte viel zu viele andere Dinge im Kopf
gehabt —, doch nun fiel ihm eine Erklärung ein. Es schien beinahe so, als
stützten die Strompfeiler die Querbalken nicht, sondern würden sie nach unten
ziehen. Und das würde bedeuten, dass irgend etwas die Fundamente unterminiert
hatte … kaum war ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, erkannte
Merthin, wie es dazu gekommen war: Es musste an der schnelleren Strömung
liegen, die das Flussbett aufwühlte.
    Merthin erinnerte
sich, wie er als Kind einmal barfuß über einen sandigen Meeresstrand gelaufen
war. Dabei hatte er bemerkt, dass die abfließenden Wellen stets den Sand unter

Weitere Kostenlose Bücher